Morbides Samarkand

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Samarkand und Usbekistan haben natürlich auch dunklere Seiten, die jetzt nicht so im touristischen Fokus stehen. Zum Beispiel ist das Land ist ja ein grauenhafter Polizeistaat, wie man schnell herausfindet. Dieser Artikel bezieht sich aber auf eine ganz spezielle und feinere, dunkle Qualität von Samarkand.

Nachträglich stufe ich Samarkand als den der morbidesten Orte ein, an denen ich jemals war, weit jenseits von Wien, dem diese Energie ja auch nachgesagt wird und das im Vergleich dazu ein Tempel der Lebensfreude ist.

Schon seltsam, dass das erste, was mir nach der Ankunft in Samarkand interessant aufgefallen ist, ein Begräbniszug war, in dem die Einheimischen wehklagend einen Sarg durch die Straßen getragen haben. Da hab ich mir noch nichts dabei gedacht.

mein erstes Foto von Samarkand

mein erstes Foto von Samarkand

Die historischen Bauten der Stadt sind auch zu einem Großteil Grabesstätten. Mausoleen, soweit das Auge reicht.

Mausoleum

Mausoleum

Wenn man von unserem Quartier ein paarhundert Meter stadtauswärts ging, kam man zu einer richtigen Totenstadt. Da gibt es eine Mausoleenstraße mit wunderbar prunkvollen Kuppelbauten aus längst vergangen Zeiten.

eine ganze Strasse von Mausoleen

eine ganze Strasse von Mausoleen

schön anzusehen

schön anzusehen

Dahinter ist dann gleich der riesige Friedhof, der sich über die beginnenden grünen Hügel der alten Stadt Afrosiab ausbreitet. Wild verstreute Gräber, wenige davon sind so gepflegt wie die Gräber bei uns daheim gepflegt, da sind hier andere Gebräuchlichkeiten als bei uns. Die Steinmetze werkeln direkt am Friedhof an den Portraits auf den Grabsteinen, nicht wie bei uns mit Laser, alles Handarbeit.

von jung..

von jung..

bis alt...jeder stirbt irgendwann

bis alt...jeder stirbt irgendwann

...auch der Kommunismus

...auch der Kommunismus

Und Afrosiab ist sowieso ein Riesengrab. Dschinghis Khan hat die Stadt im 13. Jahrhundert zerstört und alle Einwohner der damals schon wichtigen, prunkvollen und großen Handelsstadt umbringen lassen. In den Jahrhunderten ist einfach Gras drübergewachsen und man erahnt unter den grünen Hügeln Strukturen von alten Gemäuern. Ausgrabungen gibt es nur ganz wenige, dafür gibt´s wohl keine Knete. Es rennen nur ein paar Schafherden rum und grasen hier.

Afrosiyab

Afrosiyab

Die Bauten sind ein Spiegel der morbiden Seele Samarkands und seiner Menschen, die extrem ruhig und unterkühlt sind. Man(n) trägt hier ausschließlich schwarz, Frau dunkelrot, nur das Herausblitzen eines weißen Taschentuches deutet schon auf Touristen hin. Auf den Straßen ist nicht viel Leben, obwohl hier 300.000 Menschen wohnen. Nach Sonnenuntergang ist es überhaupt leer. Spaßmässig ist hier nichts los, es gibt keine netten Kaffees oder andere Lokale, keinerlei Entertainment, nur Vodkastuben. Der Vodka scheint übrigens die Motorik des Konsumenten schwer zu beeinträchtigen, dauernd begegnet man Typen, die wie Zombies daherwanken und kaum noch gehen oder stehen können.

Das Wetter hat diese Gesamtstimmung auch noch unterstützt, nach dem zweiten Tag war es nur noch regnerisch und kalt. Da wir nicht wie die meisten Tourigruppen nach einem Tag weiterfuhren, kamen auch wir immer mehr in die hier vorherrschende Stimmung…

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2 Gedanken zu „Morbides Samarkand

  1. muma

    Lieber Joerg, in Samarkand hat sich wohl eine andere Art von Besinnlichkeit bei euch breit gemacht- trotzdem danke auch für diese Eindruecke, wir koennen eure Stimmung gut nachempfinden, vielleicht braucht es diese, um wieder neu durchzustarten.
    Wünsche euch gute Entscheidungen!
    Alles Liebe
    muma

    Antworten
  2. Aziza.G-S.

    Lieber Jörg,
    Ich bin gebürtige Usbekin und komme aus Samarkand.Es tut mir leid,dass dir Samarkand sehr morbide Empfang bereitgestellt hat. Ich sage mal so,dass Leben was du so in anderen lustigeren Orten der Welt gesehen hast,hat Samarkand nicht. Das Volk ,das eigentlich das Starssenleben auffüllen sollte, ist so sehr mit sich selbst beschäftigt ,dem ist die Unterhaltung und Kultur erspart. Die Menschen müssen sehr hart arbeiten,damit jeder sich ein tägliches Brot verdienen koennen. Aber ich habe auch jedesmal sowie du ein trauriges Gefühl wenn ich immer wieder mein Heimat besuche.Die Stadt hilft mir um mich zurückziehen,es wirkt wie eine Art Meditieren. Samarkand als Ort ist uralt, also deshlab entscheiden sich auch ältere Leute dahin zu reisen,wo sie als junge Menschen davon geträumt haben oder gelesen haben. Als junge vitale Mensch ist eine merkwürdige Ziel gerade diese Stadt zu besuchen.
    Allerdings habe ich gelsesen dass du aus Wien kommst.Mich hat Wien auch sehr überrascht,ich habe mich in Wien damals als bei Besuch eine ältere Dame in ihrem Grossem Wohnzimmer sitzend ihre Kaffestunde schlagend empfunden.
    ok,dass waren nur meine Gedanken.
    alles Gute,
    Aziza

    Antworten

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