Da unsere kommende Reise im Sommer 2016 von Guatemala aus voraussichtlich wieder über Chiapas führen wird, habe ich als Ausblick darauf dieses kurze Portrait verfasst…auch wenn ich gerade ganz woanders bin.
Chiapas ist ungefähr so groß wie Österreich. Es ist der südlichste Bundesstaat Mexikos und dem sozialen Nord-Süd-Gefälle des Landes folgend auch einer der ärmsten. Das Stiefkind-Dasein unter den Bundesstaaten Mexikos hat im Falle von Chiapas bestimmt auch damit zu tun, dass es einen besonders hohen Anteil an indigener Bevölkerung hat. Die in Chiapas beheimateten Tzteltales und Tzotziles sind Nachfahren der alten Maya und sprechen noch die alte Maya-Sprache. Der Erhalt der indigenen Sprache sowie der gesamten kulturellen Identität ist auch für die Mayas in Chiapas sehr schwierig.
Die Weltöffentlichkeit wurde in den 90ern auf Chiapas aufmerksam, als dort die „Zapatisten“ (EZLN) mit einem Aufstand gegen die Bevormundung der nationalen Regierung in Erscheinung traten. Wie so oft, wo die Indigenen für ihre Rechte auftreten, werden und wurden auch die Zapatisten generell als Kommunisten abgetan und dementsprechend auch gewaltsam bekämpft. Sie thematisieren mittlerweile auch auf politischer Ebene die Nöte und den Kampf der indigenen Bevölkerung in einer immer mehr von den westlichen Medien und Konzernen regierten Welt. Eines der wichtigsten Anliegen der Maya-Nachfahren ist der Erhalt ihrer alten Maissorten (die Lebensgrundlage überhaupt!), die immer mehr von den Monsanto-Hybriden aus den USA verdrängt werden.
Den geografisch und sozial am untersten Ende befindlichen Bundesstaat von Mexiko würde sich der von den Nachrichten infizierte Mensch ja gleich einmal wie den Wilden Westen vorstellen. Wenn man jedoch von Guatemala aus nach Chiapas einreist, wird plötzlich alles auffallend ruhiger, sauberer, geordneter und organisierter. Man sieht Supermärkte, Busbahnhöfe mit schicken Bussen und noch vieles mehr, was man in Guatemala eher nicht zu sehen bekommt. Und in Chiapas gibt es auch so etwas wie organisierten Tourismus. Und das mit gutem Grund. Wie überall in Mexiko gibt es auch in Chiapas viel Naturschönheit und kulturell Interessantes zu sehen und zu erleben.
Das koloniale Erbe wird besonders schön in San Cristobal de Las Casas sichtbar. Die Stadt ist sozusagen die erste Station nach der Einreise aus dem Hochland von Guatemala und für Touristen recht ansehnlich herausgeputzt. Es gibt jede Menge schön restaurierte Kirchen zu besichtigen und einen interessanten Markt. Das, sowie diverse Annehmlichkeiten wie z.B. die gepflegten Kaffeehäuser machen San Cristobal zu einer netten Abwechslung auf einem Trip durch die Mayawelt.
Wer sich so wie ich hauptsächlich für Letztere interessiert, kommt in Chiapas keinesfalls zu kurz, befinden sich dort doch ein paar der sehenswertesten antiken Mayastätten.
Palenque ist eines der geschichtlich bedeutendsten und auch heute noch berühmtesten Maya-Zentren überhaupt. Die Grabkammer von König Pakal in der „Pyramide der Inschriften“ von Palenque ist in der Maya-Welt in etwa so einzigartig und aufregend wie der Schatz des Tut-Ench-Amun in Ägypten. Der ursprüngliche Maya-Name von Palenque ist „Lakam-Ha“ („Ort des großen Wassers“). Mein erster Besuch in Palenque war im Jahr 2007 und seit dem war ich immer wieder mal dort. Es ist jedoch erst zwei Jahre her, als es sich ergeben hat, dass wir zwei ganze Wochen lang in Palenque verweilt haben – mit täglichem Besuch der Pyramiden. Damals habe ich „zufällig“ auch den Chefarchäologen von dort kennen gelernt, der uns auch gleich exklusiv außerhalb der Besuchszeiten zu den Pyramiden eingelassen hat – bis hinein ins „Allerheiligste“, der ansonsten für Touristen nicht zugänglichen Grabkammer von König Pakal. Diese unvergessliche Erfahrung und viele andere, kleine Toröffnungen verbinden mich mit dem alten Palenque und so freue ich mich schon jetzt auf meinen nächsten Besuch dort. Auch, weil mir dort schon vieles sehr vertraut ist und ich die Übernachtungen im Dschungelhotel sehr genieße.
Es gibt aber noch andere, höchst sehenswerte Mayastätten in Chiapas. Toniná zum Beispiel beheimatet den laut neuesten Erkenntnissen höchsten Tempel der alten Maya in Mexiko. Bonampak ist sehr berühmt für die einzigartigen, farbigen und gut erhaltenen Wandmalereien, die man dort gefunden hat und immer noch besichtigen kann. Mein persönlicher Favorit nach Palenque ist jedoch die Mayastätte Yaxchilan, die ganz schön am größten Fluss Mittelamerikas, dem Rio Uzumacinta, gelegen ist. Von Yaxchilan aus kann man nach Guatemala schauen, denn der Fluss ist die natürliche Staatsgrenze. Wie an vielen Mayastätten kommt man auch dort im Dschungel viele Zeichen aus der Natur. Das lauteste aller Zeichen geben natürlich die Brüllaffen, die brüllend ihr Territorium verteidigen und sich behände durch die Baumkronen bewegen – immerhin haben sie das lauteste Organ in der Tierwelt und sind kilometerweit zu hören.
Neben all den archäologischen Schätzen gibt es in Chiapas viele einzigartige Naturjuwele zu entdecken. Eine enorme Vielfalt an verschiedenen Vegetationszonen und Landschaften erstreckt sich vom tropischen Tieflanddschungel bis zu den Kiefernwäldern in den Bergen hinauf. Es gibt viel Wasser – Seen, Canyons, Flüsse und immer wieder Wasserfälle.
Ich erinnere mich an die Reisegruppe, mit der wir im August einen Abstecher nach Chiapas gemacht haben. Wir verbrachten nach den Pyramidenbesuchen einen Nachmittag im Paradies: Kaskadenartige Wasserfälle mitten im saftigen Dschungel, dazwischen türkisgrüne Teiche wie natürliche Swimmingpools und keine Touristen außer uns. Die meisten Leute aus unserer Gruppe – auch die viel gereisten – sagten, das war der schönste Ort, an dem sie jemals in ihrem Leben gewesen sind. So ähnlich geht es mir dort auch, und schon alleine deshalb möchte ich wieder an diesen traumhaften Ort hinfahren – alleine oder wieder mit anderen Leuten, die gerne mitfahren wollen.