Von Axum sind wir mit einem Minibus nach Debark gefahren, die einzige Moeglichkeit diesen langen Weg in einem Tag zu schaffen. Der Weg fuehrt durch die unglaublich zerfurchte Landschaft des noerdlichen Aethiopiens, bergauf-/bergab, ein Graben nach dem anderen wird voll ausgefahren, die Landschaft ist grossartig. Schon Stunden bevor man nach Debark kommt, sieht man faszinierende Felstuerme aufragen, erste Vorboten der Simien-Mountains. Beeindruckend, fast wie die Drei Zinnen in Suedtirol. Nach Debark faehrt man dann ungefaehr 1000 Hoehenmeter ueber eine spektakulaere Strasse, die die Italiener einst gebaut haben, auf ein Hochplateau hinauf. Die Landschaft, die man dabei ueberblickt, ist unglaublich.
In Debark angelangt, hab ich gleich einmal einen ordentlichen Wutanfall bekommen muessen. Fuer den Minibus zahlt man ja ein Vielfaches vom normalen Bus, und die Fahrt war auch komfortabel und gut…ABER: der Idiot von Fahrer hat in der ortsueblichen Unachtsamkeit ueber meinen am Dach liegenden Rucksack ungefaehr einen Lieter Diesel druebergeschuettet, als er aus den daneben gelagerten Kanistern via Gartenschlauch den Treibstoff in den Tank geleitet hat. Nur mein Packsack, der den Rucksack zuverlaessig vor Staub uns Wasser schuetzt, hat verhindert, dass ich meinen ganzen Troedel wegschmeissen haette muessen. Ein bissl was ist durchgesickert, gluecklicherweise genau auf der Seite meines Rucksackes, wo das Zelt draufgeschnallt ist. Der Packsack vom Zelt hat nur ein paar Tropfen auf das Aussenzelt durchgelassen, das war zu verkraften. Dennoch ist mir der Kragen geplatzt, weil diese Arschkriecher mit ihrem Minibus soviel Geld verlangen und das mit ihrem “Service” und ein bissl freundlichem Geschau rechtfertigen, und dann wird mein Gepaeck mit Diesel begossen, was jeder Affe verhindern kann, wenn er ein bissl aufpasst. Die Leute rundherum haben ganz schoen geschaut, wie ein Ferenji meiner Groesse ausrasten kann. Normalerweise verhalten sich die Weissen hier ja so ueberkorrekt vor lauter Schuldgefuehl, dass sie sich auch noch in der Landessprache bedanken wuerden, wenn ein Schwerlaster ueber ihren Rucksack duebelt. Ich aber nicht, weil die Leute hier muessen auch was lernen. Selber diskutieren und streiten sie untereinander ewig lang ueber ein paar Cent herum, aber dass auch Gegenstaende einen Wert haben und man drauf aufpassen muss, das kapieren hier nur die wenigsten. Also hab ich zu meinem vorhandenen Zorn gleich noch was dazugeschauspielert und ordentlich herumgebruellt. Tut ehrlich geagt auch mal gut nach 5 Wochen Reisetheater in diesem Land…
Debark ist Ausgangspunkt fuer den Simien Mountains Nationalpark. Hier findet man nicht nur die hoechsten Berge des Landes (bis ueber 4500 Meter), sondern auch endemische Tierarten und eine der angeblich beeindruckendsten alpinen Landschaften des schwarzen Kontinents. Von Debark aus kann man den NP erwandern, was wir uns auch fuer die naechsten Tage vorgenommen hatten. Speziell freuten wir uns darauf, einmal von den vielen Menschen und staubigen Strassen wegzukommen, in den liebenden Schoss von Mutter Natur.
Haben in Debark gleich Quartier bezogen und sind zur Parkverwaltung marschiert, wo man fuer Aethiopien ungewoehnlicherweise alles, was man fuer den Parkbesuch braucht (Eintritt, Mulis, Fuehrer, Koch, etwaige Ausruestung,etc.), offiziell, prompt und zu fixen Preisen organisieren kann. (Normal ist ja alles inoffiziell, langsam und zu ueberhoehten, verhandelten Preisen, weil die Einheimischen alles aussitzen, wofuer wir keine Zeit haben). Hier haben sogar die Oesterreicher bei der Einrichtung der Parkorganisation mitgeholfen und die lokalen Leute sind echt auf Zack. Nach ungefaehr einer halben Stunde hatten wir unseren Trip geplant und alles Noetige dafuer organisiert und bezahlt, und zwar schon fuer den naechsten Morgen, kein Zeitverlust also.
Ausserdem haben wir ein nettes Paechen getroffen, das auch schon mit uns im Minibus war, meinen Wutanfall wohl nicht mitbekommen hat und so beschlossen hat, mit uns gemeinsam zu trekken. Nina, eine Aerztin aus Deutschland, die demnaechst 3 Monate in Addis arbeiten wird, und Ronald, ein Hollaender, der in Dubai lebt und arbeitet. Wir haben uns gleich gut verstanden und wollten das gleiche Programm absolvieren, und zwar wie folgt: 5 Tage Wanderung von Debark aus, 4mal uebernachten im Zelt und am fuenften Tag am fruehen Nachmittag Rueckkehr nach Debark.
Unsere Koechin fuer die naechsten Tage wurde uns auch gleich vorgestellt und ist mit uns zum Markt gegangen, um das Essen fuer die naechsten Tage einzukaufen. Die Preise waren ein wenig ueberhoeht, hat uns aber nicht so gejuckt.
Am naechsten Tag ging es fast planmaessig um 7:00 los, nachdem wir noch den Parkchef, der uns am Vortag alles vermittelt hatte, aus dem Bett telefonieren mussten. In kuerzester Zeit waren 3 Mulis, 2 Mulitreiber, unser Fuehrer, die Koechin und -ganz wichtig und vorgeschrieben- unser Scout da, ein alter ausgezerrter Hochlandkrieger , der eine Kalaschnikoff umgeschnallt hat. Heisst Fanta, trinkt aber nur das selbstgebreute Bier, was man ueberall zu kaufen kriegt. Aber nichts gegen Fanta , der Kerl war schwer in Ordnung.
Wir marschierten aus dem Dorf raus, hinter uns ein “Fanclub” von Kindern, Dorftrotteln (auf die leicht angeschlagenen Typen wirken wir hier immer wie ein Magnet) und ein paar uebriggebliebener Mulitreiber, die sich darum stritten, wer eigentlich rechtmaessiger Betreuer unserer Mulis waere. Ich hab gleich einmal klar gestellt, dass ich keinen Bock auf dieses Theater habe und einen friedlichen Abmarsch moechte. Die Mulitreiber wurden sich einig, Fanta hat die restlichen Laestlinge vertrieben, und so zogen wir hinaus Richtung Simien Mountains. In Debark war Markttag, und so kamen uns unterwegs viele Bauern mit ihren Guetern entgegen. Anders als z.B. in Kenia hat man hgier die Leute aus dem Nationalpark nie ausgesiedelt – ganz im Gegenteil, es wurden sogar noch mehr seit der Einrichtung des Parks. So leben heute im Park ca. 20000 Menschen in 25 Doerfern und dazwischen. Mit den ganzen Rinder- und Ziegenherden stellen sie natuerlich auch einen erheblichen Stoerfaktor fuer das natuerliche Geschehen dar. Es gibt viel Kulturlandschaft und Aecker im Park, beschraenkt auf bestimmte Gebiete, lediglich gejagt darf nicht mehr werden.
Unterwegs kommen uns die liebsten Kinder und freundlichsten Erwachsenen entgegen, die man sich nur vorstellen koennen. Alle bleiben stehen, gruessen uns, lachen und schuetteln Haende, etc. Eine Begruessung ist ja hier etwas anderes als bei uns daheim, wo man nur “s’gott” murmelt. Da wird gelacht und die Grussformeln “Salam” (Friede) und “Denane” (wie gehts?) ein paarmal hin-und her wiederholt, dazu ordentlich Schultern geklopft. Die Kinder haben immer eine Mordshetz mit uns, und wir mit ihnen. Fotos machen und anschauen, …
Die Menschen hier sind wie ueberall in den Bergen der Welt sehr zaeher Natur. Ausgezerrt, mager, ausdauernd und stark. Die beruehmten aethiopischen Langstreckenlaeufer kommen aus dieser Gegend, und unser Fuehrer Mitiku war ein Paradeexemplar diese Typs. Ein 50 Kilo leichtes Buendel aus Sehnen, Ausdauermuskulatur, einer grossen Lunge und jede Menge roter Blutkoerperchen. Geredet hat er nur, wenn man ihn gefragt hat, das fand ich besonders sympatisch. Dafuer hatte er ein super Auge fuer die Wildtiere, die er 2 km gegen den Wind im Dickicht aufstoeberte, waehrend wir bei der affenartigen Gehgeschwindigkeit den Blick nicht vom Boden liessen, damit es uns nicht auf die Schnauze haute. Ja, wir haben ziemlich Gas gegeben, natuerlich mit Pausen zum Landschaft und Tiere gucken. Die Leute hier haben einen Schritt drauf, daa man kaum mitkommt. Zum Beispiel unser Scout, der Fanta, wenn der vollgetankt war, dann gab es kein Nachkommen, obwoh er 1,5 Koepfe kleiner ist als ich.
Nach nur ca 5 Stunden haben wir am ersten Tag unser erstes Nachtlager erreicht, am Nachmittag hatten wir noch Zeit, die Paviane (engl. Baboons) zu beobachten, die es hier herdenweise gibt. Und zwar hat man es hier mit dem endemischen (d.h. gibt’s nur hier) Gelada (sprich Dschelada)-Baboon zu tun. Ein possierliches, vegetarisches Kerlchen, das den ganzen Tag mit Grasfressen und ein bisschen Herumvoegeln und Rangkaempfen beschaeftigt ist, und in Herden mit tw. 100en Tieren lebt. Die Baboons schlafen nachtsueber in den Hoehlen der Klippen, am Morgen kommen sie heraufgeklettert und dann grasen sie am Hochplateau. Der Gelada hat seinen roten Fleck nicht am Hintern sondern auf der Brust und wird deshalb “Bleeding Heart Baboon” genannt. Die Maennchen haben praechtige Maehnen und eindrucksvolle Zaehne, die beim staendigen Gaehnen zum Vorschein kommen. Dafuer sind sie harmlos und man kann bis auf einen Meter an sie rangehen, was das Beobachten echt lustig macht. Angreifen lassen sie sich aber nicht, obwohl die Maehne sehr verlockend zum Streicheln waere. Die Einheimischen (Menschen) koennen sich den Baboons aber nicht naehern, vor denen hauen sie gleich ab. Die Affen sind naemlich nicht bloed und erinnern sich daran, dass sie die Einheimischen bis vor kurzem noch gerne abgeknallt haben, wenn es Landnutzungskonflikte zwischen Bauern und den Grasbueschel ausgrabenden Baboons gab. Jetzt sind sie geschuetzt und pflanzen sich ordentlich fort. Deshalb auch dauernd der (grammatikalisch falsche) Satz unseres Fuehrers: “Too much baboons!”. Wir haben uns ab den Kerlchen immer wieder neu erfreut…Ausser der Baboons sollten wir in den naechsten Tagen noch den endemischen Steinbock, andere Boecke, riesige Raben, tausende Maeuse und Ratten, Adler, Bussarde und sogar eine Grosskatze sehen, von der alle Einheimischen behaupten, sie sei ein Leopard, alle anderen wissen es aber besser. Wurscht, wir waren die einzigen, die sie gesehen haben, unser Fuehrer auch zum ersten mal, so selten ist sie, und ich hab sie auf meiner Speicherkarte fuer immer gefangen, hehe!
In der ersten Nacht wurde uns bewusst, wie zaeh die Menschen hier sind. Unfairer- und fuer uns auch unangenehmerweise bekommen die Leute, die mit den Touristen gehen, von der Parkverwaltung ueberhaupt keine Ausruestung mit. Waehrend wir in unserem HighTech Zelt und Schlafsaecken fein gemurmelt haben, hat unsser Personal bei -5 Grad im Freien uebernachtet, ohne Schlafsack oder Anorak, nur eine duenne Jacke, einen Schal und eine duenne Ueberdecke aus Viskose. Bis auf den Fuehrer, der von einem Deutschen, den er bis an sein Lebensende loben wird, ein Paar gebrauchte Trekkingschuhe geschenkt bekommen hat (4 mal zu gross), rennen hier alle anderen mit Badesandalen oder Gummistiefeln herum, ohne Socken und teilweise auch nur mehr mit einer halben Sohle etc. – unvorstellbar! Von den Hirtenjungen, die einem begegnen, und die eine Schule nur von Erzaehlungen kennen, haben die meisten gar keine Schuhe an, die Klamotten sind von allen voll zerfetzt und zigmal zusammengeflickt. So arm die Leute hier sind, so freundlich und lustig sind sie auch- schon seltsam, ueberall auf der Welt das selbe! Wir haben grossen Respekt vor diesen Menschen und geniessen die liebevollen Begegnungen. Dennoch ist es peinlich, wie unser Personal friert und nur unsere Essensreste verputzt, weil sie selber nichts mithaben. Wir kaufen ein Buendel Feuerholz, das die Stimmung allseits hebt. Ausser uns ist im ersten Camp nur ein Amy, der alleine unterwegs ist.
Die 5 Tage waren echt genial. Die ersten 3 Tage sind wir entlang des felsigen Steilabfalles des Hochplateaus gewandert, mit genialen Ausblicken auf das ca. 1000 Hoehenmeter unter uns liegende, zerfurchte Land mit einzelnen Felstuermen, durch wechselnde, ausserirdische Vegetation, Maerchenwaelder, vorbei an regenbogenfarbenen Wasserfaellen, Pavianherden, Rundhuettendoerfern, etc. Trotz ca. 9 Stunden Gehzeit taeglich haben wir uns ordentlich entspannt und in vollen Zuegen genossen. Rastpausen haben wir an sehr tollen Aussichtsbergen gemacht, wo ich mich in aller Stille der aussergewoehnlichen Schoenheit und Kraft der afrikanischen Natur hingegeben habe. Wir haben super Fotos gemacht, Fanta ist dabei auch auf den Geschmack gekommen und wollte bald auf jedem Foto mit seiner AK 47 posieren. Konditionell waren wir gut beisammen, die Hoehe von bis zu 4200 Metern hat uns nichts ausgemacht. Nina hat sich ein Pferd gemietet, mit dem sie bei allfaelliger Ueberanstrengung geritten ist, Ronald hat sich tapfer mit uns durchgekaempft. Geschlafen haben unsere 2 Begleiter, mit denen wir auch einen grossen Spass hatten, leider wenig, da das von ihnen bei der Parkverwaltung geliehene Zelt plus Schlafsack eine echte Frechheit war-kaputt und saukalt. Da beide in Afrika aufgewachsen sind, haben sie die Unannehmlichkeiten mit viel Humor genommen und den Rest wie wir genossen. Sehr liebe Leute!
Am fuenften Tag haben wir uns schon wieder auf die Zivilisation gefreut. Wir hatten gesehen, was wir sehen wollten und waren vollauf zufrieden mit dem Trekking. Den Rueckweg nach Debark haben wir in einer historischen Bestzeit von 4,5 Stunden geschafft (Nane und ich sind spaeter aufgebrochen, als das Zelt trocken war, und sind den anderen beiden mit dem Fuehrer zusammen die ersten 1,5 Stunden hinterhergelaufen), ganz schoen anstrengend fuer uns, der Mitiku ist dabei ploetzlich kommunikativ geworden. Unglaublich, was der Mensch aushaelt. Den ganzen Tag ohne Wasser und Essen, Tag fuer Tag draussen und schon die vorweihnachtliche 2monatige Fastenzeit ohne jegliche tierische Nahrung hinter sich. In Debark angekommen, haben wir noch Trinkgelder fuer alle verteilt und sind gleich auf den Bus nach Gondar aufgestiegen, wo wir mehr oder weniger ohne Schwierigkeiten 4 Stunden spaeter am Ende eines unheimlich anstrengenden Tages angekommen sind. Schnell sind wir ins Quartier, fast ueberfordert von der Zivilisation, der wir zwar nur 5 Tage entflohen waren, dennoch mit dem Gefuehl, als waer es viel laenger gewesen, so gefuellt und genaehrt waren wir von der Begegnung mit Mutter Natur.
Die Wanderung durch die Simien Mountains war bei all den anderen Erlebnissen ein echtes Highlight dieses Landes. Ich habe schoene und kostbare Erfahrungen und Einsichten gewonnen, die ich mit viel Dankbarkeit auf die weitere Lebenswanderschaft mitnehme.