Archiv für den Monat: April 2012

Ghizo

Nachdem ich von Hunda nach Ghizo gekommen war, musste ich mich erst einmal wieder an die Anwesenheit von mehr als ein paar Dutzend Menschen gewöhnen. Ghizo ist aber eh nur eine kleine und eher verschlafene Provinzhauptstadt. Tagsüber gibt es einen Markt, wo vor allem Fische, ein paar Früchte und die allgegenwärtige Betelnuss verkauft werden – letzteres ist eine berauschende Nuss, die von den meisten Islanders bei jeder Gelegenheit auf recht ungustiöse Weise gekaut wird und sichtlich gute Laune macht. Der Preis für die gute Laune sind aufgrund des angeregten Speichelflusses voll gespuckte Straßen, durch die rote Farbe unansehnliche Gebisse, fallweise Krebsgeschwüre und offensichtlich Millionen von geglätteten Hirnwindungen.

Eigentlich sollte Ghizo ja auch ein Touristenzentrum sein, wenn man den Werbeheften des nationalen Tourismusinstitutes Glauben schenkt. Hier gäbe es auch, mehr noch als im Rest des Landes, ein gewisses Tourismuspotential – die Einheimischen sind sehr nett und die Natur, speziell das Meer und die Riffe samt Bewohnern, ist von einzigartiger Schönheit. Touristen trifft man jedoch keine, es gibt auch nur zwei kleine Hotels, die leer sind. Der Tourismus in den Solomon Islands ist kaum wahrnehmbar. Die Preise für Hotels etc. sind im internationalen Vergleich und in der Relation zum Einkommensniveau im Land unverschämt teuer. Das und die Tatsache, dass es vor ein paar Jahren auf der Hauptinsel Guadalcanal noch ethnische Unruhen mit internationaler Medienpräsenz gab, dürften wohl die Hauptursachen dafür sein, dass die Gäste ausbleiben. Schade für die Wirtschaft – gut für mich. Denn ich hatte kein Problem damit, dass ich in jener Woche neben einer Handvoll NGO-Vertretern (diverse Umweltschutz- und Forschungsorganisationen) wohl der einzige Ausländer in Ghizo war.

Und es war auch noch mein Glück, dass der WWF in den bunten Korallenriffen Forschung und Naturschutz betreibt. Delia hat mich mit einem Freund bekannt gemacht, der das örtliche WWF-Team leitet. Sein Name ist Shannon, er stammt aus Papua-Neuguinea und er ist ein sehr interessanter und netter Mann. Er hat gleich gemeint, dass er mich gerne mit zum Tauchen nimmt, wenn ich in Ghizo bin. Er und seine Freunde kennen die besten Spots und fahren sowieso jeden Tag raus. Super!

Shannon hatte während meiner Zeit in Ghizo ziemlich viel Administrationsstress und keine Zeit zum Tauchen. Dafür haben mich seine einheimischen Kollegen mitgenommen und mit denen hatte ich nicht nur ein paar unvergessliche Tauchgänge (unglaublich viel Fische, Haie usw…), sondern auch über Wasser eine sehr nette Zeit. Ein gemeinsames Bierchen nach dem Tauchen gehört ja auch dazu. Shannon war bei letzterem gerne dabei und so hatte ich auch noch Gelegenheit, ihn besser kennen zu lernen und mich mit ihm über viele Dinge auszutauschen. Er hat auch eine interessante Lebensgeschichte und wir haben uns prima verstanden.

Genächtigt habe ich ja, wie schon angemerkt, in der Kirche. Reverend Maka ist ein sehr guter Gastgeber und es war schön, gemeinsame Stunden mit ihm und seiner Familie zu verbringen, gemeinsam zu essen und über Gott und die Welt zu reden. Maka ist nicht nur der örtliche Pfarrer, sondern sein nächster Karriereschritt wird die landesweite Führung seiner Kirche (Methodisten) sein, die vor allem im Westen der Solomons vorherrschend ist. Seine eigene Geschichte, sein großes Herz, seine für einen solomonischen Kirchenführer große Weltoffenheit und sein unbeugsamer Glauben an das Positive und die transformierende Kraft des Glaubens waren für mich sehr inspirierend und wir hatten einen spannenden Austausch in unseren Gesprächen, die oft bis in die späte Nacht dauerten. Sehr schön, danke!

Somit hatte ich in Ghizo nicht nur schöne Urlaubstage, ich habe auch wieder neue Freunde gewonnen, mit denen ich bestimmt in Kontakt bleiben werde. Nach insgesamt zwei Wochen in der Western Province bin ich sehr zufrieden wieder zurück nach Honiara geflogen.

Ghizo vom Boot aus

Hier hab ich gewohnt

bei Reverend Maka und seiner Frau Vira

am Markt

stakka fish

stets frisch vom Boot

Shannon

Tingo und Alec, meine Tauchbuddies

"Surface-Intervall" zwischen den Tauchgängen auf einer der vielen netten kleinen Inseln

eine Meerjungfrau habe ich auch gesehen- leider keine echte, dafür aus Stein geschnitzt von diesem Künstler

Abendlicher Blick von Ghizo zum Kolombangara - "God of Water" -, der über die ganze Gegend herrscht und in dessen Kraftfeld ich zwei geniale Wochen verbringen durfte. Gracias!

Hunda – Kolombangara

Also, wie schon gesagt: von Honiara, der Hauptstadt,  fährt man nicht ungern weg. Es ist laut, zu viele Menschen und zuwenig Natur – eine Stadt eben. Unser erster Ausflug sollte uns in die Western Province führen, wie der Name schon sagt eine Inselgruppe im Westen des Landes, nahe der Grenze zu Papua Neuguinea. Die Western Province ist bekannt als die schönste Gegend des Landes. So befindet sich dort zum Beispiel die berühmte Marovo Lagoon, die größte Lagune der Welt, mit ihren unzähligen von türkisem Wasser umgebenen Inseln.

Schon beim Hinflug sind wir mit unseren Nasen an den Fenstern geklebt und haben auf den wunderbaren Inselteppich hinunter geschaut. Nachdem wir mit unserer fliegenden Kiste vor (nicht in – siehe Foto!) der Provinzhauptstadt Ghizo gelandet sind, haben wir Kurs auf die Insel Kolombangara genommen – ein riesiger, aus dem Meer herausragender Vulkan und eine der regenreichsten Gegenden des Landes. Kolombangara heißt in der Sprache der Einheimischen soviel wie „Gott des Wassers“. Für Delia liegt dort eines der drei Zielgebiete ihrer Felduntersuchungen, die sich jeweils in den klimatischen Bedingungen unterscheiden. Die Bootsüberfahrt war schon schön, man fährt zwischen idyllischen Inselchen durch, die alle von Korallenriffen umgeben sind, und so ganz nebenbei angelt man sich ein paar Thunfische ins Boot. Letztere wurden sogleich nach unserer Ankunft im Dorf Hunda gegrillt und mit Kokosnüssen gereicht und verspeist, noch bevor es zur offiziellen Begrüßung durch die Dorfältesten kam, was eigentlich im Protokoll eines jeden Dorfbesuches in dieser Weltgegend hier der erste Programmpunkt wäre. Zu dieser ist es dann auch noch gekommen, aber das eigentliche Willkommenssymbol war für mich, als noch vorher ein Weißkopfadler ganz nahe über uns kreisend auf uns heruntergeschaut hat. Dieser herrliche Vogel sollte sich in der ganzen Woche danach nicht mehr blicken lassen.

Das traditionelle Hunda war unsere Station für die nächsten sechs Tage, von wo aus Delia ihre Forschungsstreifzüge in die bis weit auf die Vulkanhänge hinaufreichenden Felder unternehmen sollte. Die Bewohner Hundas und ihre Stammesbrüder der zwei benachbarten Dörfer trotzen unter teils schwierigen Bedingungen dem wild wuchernden Urwald ihre so genannten „Gärten“ ab und bauen dort verschiedene Früchte und Wurzeln nach traditioneller Art zum Eigenverzehr an. Die Dörfer zählen jeweils zwei- bis dreihundert Einwohner und es gibt genug Nahrung für alle, alleine der fischreiche Ozean würde schon ausreichend zum Überleben hergeben.

Delia hatte genug zu tun. Da sie als erste Projektbeteiligte in die ihr zugeteilten Gebiete kommt, heißt es für sie immer erst einmal einen Gesamtüberblick über die Landnutzung und die Problemstellungen in Hinblick auf Boden und Wasserhaushalt zu bekommen. Ich war bei einigen ihrer Ausflüge dabei und habe mir den Regenwald und die Gärten in aller Ruhe (aber auch nicht ganz ohne Sachkenntnis ;-)) angeschaut. Die Bewohner dieser Gegend haben von den Fehlern gelernt, die andere vor ihnen gemacht haben, und als Landeigentümer der Rodung des Waldes einen Riegel vorgeschoben. Sie verzichten damit zwar auf schnelles Geld, das sie von ausländischen Firmen bekommen könnten, dafür haben sie kaum Probleme mit Erosion etc…

Auf unseren Besuchen in den Nachbardörfern ist uns unabhängig voneinander deutlich aufgefallen, wie sehr sich die Leute und die Atmosphäre in den einzelnen Dörfern unterscheiden, obwohl alle vom selben Stamm sind und aus derselben Tradition kommen. Und da sei gesagt, dass wir in Hunda richtiges Glück hatten. Die Menschen führen ein sehr einfaches Leben mit Fischfang und Ackerbau, man lebt in Palmblatthütten ohne Strom. Das ist in den anderen Dörfern auch so, die Bewohner von Hunda macht aber ihre noch freundlichere Art, ausgezeichnete Manieren, gutes Englisch und ein erstaunlich hohes Bildungsniveau aus, auf das sie auch zu Recht stolz sind. Von den Kindern bis zu den alten Menschen bis hin zum Pfarrer und dem Chief (Häuptling) haben sich alle rührigst um uns gekümmert. Wir hatten eine echt schöne Zeit mit den Menschen und haben an diesem abgelegenen Ort viele neue Freunde gefunden. Es gab einen schönen Austausch und viel Interesse an den Geschichten aus dem jeweilig anderen Kulturkreis. Man muss dazu sagen, dass die Leute im Umgang mit Ausländern auch schon ein wenig geübt sind, da immer wieder Projektteams in die Gegend kommen und in Hunda untergebracht sind.

Ich hatte ein wenig mehr Zeit zum Genießen, Schwimmen und Sozialisieren, aber auch für Delia war es ein wenig Urlaub mit einfachem Leben in einem schönen, traditionellen Dorf und dazu zwischendurch Strand und Sonne. Sie und ihr Kollege Jules sind planmäßig und zufrieden nach einer knappen Woche abgefahren, während ich beschlossen habe, noch eine Woche in der Western Province zu bleiben. Die Freunde in Hunda haben mir angeboten, dass ich gerne noch zwei Tage bei ihnen bleiben könne, und ich habe das genauso gern angenommen.

Die Religion spielt im Dorf so wie überall hier im Land eine große Rolle, im konkreten Fall sind die Vorväter vor ca. einhundert Jahren den Methodisten beigetreten. Ahnen- und Krokodilstotemkult wurden vom Christentum abgelöst. An meinem letzen Tag fand der Schlussevent einer Spendensammelaktion für die örtliche Kirche statt, wo alle Leute versammelt waren und ein beträchtlicher Betrag gesammelt wurde, zu dem ich auch gerne was beigetragen habe. Eigentlich habe ich das in aller Stille gemacht, jedoch wurde das vom Pfarrer gleich voll hinausposaunt. Dem aus Ghizo angereisten Kirchenchef hat das so getaugt, dass er mich für meine kommenden Tage eingeladen hat, Gast in seinem Haus in Ghizo zu sein. „You will be my son for the next couple of days!” Auch nicht schlecht.

Damit war aber der Christlichkeit noch nicht Genüge getan. Als Draufgabe an diesem Tag wurde ich noch gebeten, am Abend für die Dorfgemeinde die Fotos von meiner Israelreise herzuzeigen, die sich der Pfarrer vorher schon einmal gemeinsam mit mir angeschaut hatte. So wurde Sprit für einen Generator aufgetrieben und ca. 150-200 Leute haben sich versammelt, um meinem Vortrag beizuwohnen. Die Leute waren enorm interessiert an den Bildern aus dem Heiligen Land und die Fragestunde danach hat sich noch lang in die Nacht hineingezogen. Eine große Freude, wenn man den Menschen so leicht etwas zurückgeben kann, von denen man vorher selber so reich mit Gastfreundschaft beschenkt wurde. Der Chief hat mir danach gedankt und mir gesagt, dass er mich am nächsten Morgen persönlich mit seinem Boot nach Ghizo (ca. eine Stunde Bootsfahrt pro Richtung) bringen wird und ich nicht mit dem öffentlichen Boot fahren brauche.

Am nächsten Morgen bin ich früh aufgestanden, um meine Sachen zu packen und mich in Ruhe vom Platz zu verabschieden, bevor das Alltagsleben erwachen würde. Es war echt fast schon kitschig, als fünf Delfine direkt vor meiner Nase in die kleine Bucht herein und wieder hinaus ins Meer geschwommen sind. Mit dem Adler sind wir gelandet und mit den Delfinen bin ich gegangen. Die Natur war da draußen sowieso stets sehr nahe und der Kolombangara hatte während der ganzen Woche mehrmals täglich und noch beeindruckender in der Nacht Regen, Blitz und Donner geschickt.

Bei unserer Abfahrt waren dann noch einmal Dutzende Leute da, um sich zu verabschieden und von beiden Seiten der Bucht haben uns die Leute noch eine Weile nach gewunken. Wie schon ein paar Mal auf dieser Reise war es die wunderschöne Erfahrung, als Fremder wohin zu kommen und liebevoll in eine Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Danke den schönen Menschen in Hunda, und vielleicht sieht man sich ja einmal wieder – es wäre mir eine große Freude!

im Inneren unseres Fluggerätes

Flug über die Marovo Lagoon

Anflug auf einen der unglaublichsten Flughäfen der Welt

“Der Gott des Wassers”, der Vulkan Kolombangara vom Boot aus. der Gipfel ist 1700 m hoch und fast immer in den Wolken und vom seltenen Nebelwald bewachsen

frischen Thunfisch sollten wir noch genug bekommen

traditionelles Meetinghaus und neues Communityhouse, in dem wir untergebracht wurden. Und der mächtige Baum, der alles zusammenhält

die normalen Häuser sehen ca. so aus

kochen am Feuer

der tägliche Ausblick beim Aufwachen

der Ausblick von meinem Meditationsplatzl, wo ich viel Zeit verbracht habe,…

wenn nicht gerade diese neugierigen Kerlchen da waren

und zum Beispiel sowas hier produzieren wollten

Delia mit ihren Freundinnen

mein Freund Ben

Mit ihm hatte ich interessante Gespräche. Tomas ist aus Bougainville, einer jetzt autonomen Insel, die sich in einem Bürgerkrieg von Papua Neuguinea freigekämpft hat. Er war ein wohlhabender Mann, bevor er mit einer eigenen Rebellentruppe in den Kampf für die Freiheit zog. Diesen haben sie gewonnen, jedoch hat er alles inkl Familie verloren und hat dann in Hunda ein neues Leben angefangen. Er ist nur noch froh, dass er seine Ruhe und Frieden hat und ist ein äußerst bescheidener und gütiger Mann.

auf Besuch in den so genannten Gärten

Mittagspause

der typische Boden

Schulkinder auf dem Heimweg

kleiner Ausflug auf eine unbewohnte Insel in der Nähe

weiße Sandbadewanne mit Wasser über 30° und draußen das Riff zum Schnorcheln zwischen bunten Korallen und Fischen

Rückflug von Delia und Jules – am Ghizo Airport

mit dem Boot bin ich dann letztendlich nach Ghizo gebracht worden, das ist für Hunda schon Luxus

normal reist man hier nämlich so

begleitet wurde ich von meinem Freund Andrew, dem Pastor in Hunda

und von Jack, dem Chief – hier schon in Hunda bei einem obligatorischen Abschiedszigaretterl

Landung auf den Solomon Islands

In Fidschi ist es im wahrsten Sinne des Wortes rund gegangen, was mir eine Woche der Ruhe und Kontemplation geschenkt hat. Fidschi war aber auf meiner Reise von vornherein nur als kurzer Zwischenstopp vorgesehen, mein eigentliches Ziel im Westpazifik sollten die Solomon Islands sein, eine Gruppe von hunderten Südseeinseln, die sich östlich von Papua-Neuguinea erstreckt.

Ich hatte meinen Weiterflug von Fidschi vorab gebucht, aufgrund der Wetter- und Notsituation war es aber sehr ungewiss, ob dieser Flug auch tatsächlich planmäßig stattfinden würde, da viele Fluglinien ihre Flüge stornieren mussten. Gerade die Fluglinie meiner Wahl – Solomon Airlines – hatte alle Flüge ab Fidschi in jener Woche storniert, da eh nur ein paar Inselbewohner diese Route nehmen und die Flüge schlecht gebucht sind. Das Glück war aber wieder einmal auf meiner Seite. Denn ausgerechnet mein Flug, den ich gebucht hatte, musste durchgezogen werden, weil es darum ging, den salomonischen Premierminister von einem Staatsbesuch in Fidschi zurück in sein Land zu bringen. Also konnte ich gemeinsam mit der politischen Prominenz meines nächsten Reisezieles das verwüstete Fidschi verlassen. Soweit – so gut.

Vor einem Jahr wusste ich so wie die meisten Europäer noch nichts über die Solomon Islands, also muss ich kurz erklären, was mich dorthin gerufen hat.

Meine Freundin Delia ist Studentin auf der Boku in Wien und hatte für viele Jahre den lang gehegten Wunsch in die ferne Südsee zu reisen und einmal dem Leben in Österreich für eine Weile abzuschwören. Über eine auf der Uni ausgeschriebene Diplomarbeit, die Feldforschung im Rahmen eines langfristigen Projektes auf den Solomon Islands beinhaltet, sollte sich für sie die Möglichkeit ergeben, ihren Traum zu verwirklichen. Ich kenne Delia noch gar nicht so lange, doch wir sind über eine spannende gemeinsame Geschichte sehr verbunden, die an dieser Stelle aber keiner Ausführung bedarf. Als es für sie konkret möglich wurde, ihren Traum wahr werden zu lassen, habe ich ihr auch Mut gemacht und ein bisschen geholfen. Und es war klar, dass ich mir diese spezielle Weltgegend auch gerne anschauen würde. Da Delia einige Monate auf den Inseln verweilt und mit ihrer Arbeit in ein Projekt mit Einheimischen in ländlichen Gegenden fernab jeglichen westlichen Lebens und Tourismus eingebunden ist, könnte sich für mich eine sehr gute Gelegenheit ergeben, diesen fremden Inselstaat mit seiner vielfältigen Kultur auf authentischem Weg kennen zu lernen.

Also bin ich am Freitag vor zwei Wochen in der Hauptstadt Honiara gelandet, wo Delia ihre Basis für die Forschungsausflüge auf verschiedene Inseln eingerichtet hat. Der internationale Flughafen in Honiara hat ungefähr das Ausmaß einer mittleren Bushaltestelle. Im Flugzeug konnte ich schon feststellen, dass die Islanders sehr lockere Typen sind und viel Spaß miteinander haben, dennoch wurde ich dann von Zoll und Quarantäne strengstens kontrolliert und mein ganzes Gepäck wurde in alle Einzelteile auf einem Riesentisch ausgebreitet. Zur Belustigung aller anderen Einreisenden, die dann nach dem wieder einmal an mir statuierten Exempel großzügig durchgewunken wurden.

Delia hat mich nicht wie vereinbart abgeholt, weil sie die Information erhalten hatte, dass alle Flüge von Fidschi aufgrund des Zyklons storniert wurden – also hab ich mich via Taxi auf den Weg in die Stadt gemacht, wo wir uns mit einem kurzen Anruf einen Treffpunkt ausgemacht haben. Honiara ist zwar das politische und wirtschaftliche Zentrum des Landes, aber nur eine kleine Stadt mit ca. 100.000 Einwohnern. Das Straßenbild entspricht ungefähr dem, was man von einer tropischen Stadt in einem Entwicklungsland erwarten kann. Herabgekommene Häuser, viel Getriebe auf den dreckigen Straßen und stickige Luft. Die Solomon Islands sind eines der ärmsten Länder der Welt, wenn man sie nach den internationalen wirtschaftlichen und sozialen Maßstäben betrachtet. Was aber die natürlichen Ressourcen und die Herzen der Menschen anbelangt, findet man hier einen Reichtum, der nicht größer sein könnte. Genau den hatte Delia schon in den sechs Wochen vor meiner Ankunft voll in sich aufgesaugt, sie hat hier in vielerlei Hinsicht ein Paradies für sich gefunden und durchwegs schöne Erfahrungen gemacht – wunderbar, wenn eine Reise so ein großes Geschenk ist, ich kenne das aus eigener Erfahrung. Und so hat es mich natürlich höchst gefreut, sie dermaßen glücklich, aufgeblüht und gestärkt wieder zu sehen. Wir sind in ihre Wohnung gefahren, die sie im Haus einer Privatfamilie in der Vorstadt gemietet hat, und wo sie unter den Einheimischen wie eine von ihnen lebt. Ich habe ein kurzes Briefing bekommen, musste einmal die Lage vor Ort erfassen und mich gleich einmal auf ein paar Dinge ein- und umstellen. Aber man ist ja in Punkto Lern- und Anpassungsfähigkeit an neue Situationen ausreichend trainiert, also kein besonderer Stress.

Die Gastfamilie in Honiara ist äußerst nett, und ich habe die Zeit in den ersten Tagen gut genutzt um von den Leuten einiges über Land, Kultur und den sozialen Alltag zu erfragen, während Delia soweit möglich ihrer schon gewohnten Routine nachgegangen ist. Wie in vielen Ländern fernab Europas hat auch das Kennenlernen dieser Menschen einen Schnellkurs in die religiösen Grundsätze von einer der uns unbekannten Glaubensgemeinschaften beinhaltet. In diesem Falle die hierzulande recht verbreiteten „Seventh Day Adventists“. Die Bewohner der Salomonen sind fast zu 100 % Christen, jedoch gibt es hier neben dem uns bekannten Katholizismus wie in Südamerika erhöhten Einfluss der aus den USA stammenden Glaubensgemeinschaften, die eifrig um Mitglieder werben und für unsereins relativ undurch- und überschaubar sind. Egal, für die meisten Leute hier spielt der Glauben eine sehr große Rolle in ihrem Leben und sie bemühen sich entsprechend eifrig. Die Menschen sind unglaublich freundlich und respektvoll, man fühlt sich als Fremder sehr wohl, wird angelächelt, angesprochen aber nie genervt. Und wenn man erkennen lässt, dass man ein redlicher Mensch ist und sich noch dazu als Christ bekennt, was ich nach meinem persönlichen Verständnis trotz all meiner spirituellen Umtriebigkeiten doch noch hinbekomme, ohne dabei irgendwie lügen zu müssen, dann stehen die Türen hier noch weiter offen. Mit Geschichten vom Mayaschamanismus etc. braucht man in einem traditionellen Land wie diesem ja sowieso keinem Menschen kommen – das wäre eine Überforderung, die in Wirklichkeit nicht einmal die meisten Nachfahren der Mayas selber ertragen können. So ist das halt in den Gegenden, wo die meisten Menschen froh sind, dass die magischen Machenschaften und die brutalen Stammesfehden der Vorfahren vom Christentum abgelöst wurden. Und das liegt hierzulande gerade ein paar wenige Generationen zurück. Das Land hat entsprechend der vielen Inseln eine unglaubliche Vielfalt von Stämmen und genauso bunt scheint wohl das Treiben in der Spiritualität und dem damit verbundenen Brauchtum gewesen sein. Wie dem auch sei, die Menschen ehren ihre Vorfahren, sie haben Respekt und noch mehr Angst vor den Praktiken der vergangenen Zeiten. Jedoch ist auch klar, dass das lokale spirituelle Erbe nach ein paar Jahrzehnten Christentum trotzdem in die Gegenwart hereinwirkt.

Well, ich war wie immer behutsam beim Betreten einer neuen Umgebung und hab einfach mal alles auf mich zukommen und wirken lassen und nach Indianermanier genau beobachtet, was sich da rundherum so alles bewegt. Nichts außergewöhnlich Spektakuläres, aber dennoch wie immer interessant und aufschlussreich, wenn man die diversen Sinne offen hat. Die eigene innere Bewegung war nebenbei in einem höheren Maß gegeben, aber sehr positiv und sich in meinen weiteren Kontext dieser Lern- und Erfahrungsreise schlüssig einfügend.

Die ersten Tage in Honiara waren auf diese Weise sehr kurzweilig und schnell vergangen. Ich habe mich in den Straßen und unter den Leuten recht wohl gefühlt. Die großteils melanesische Bevölkerung weckt meine Erinnerung an die ähnlich aussehenden Menschen der Karibik und Afrikas und die große Sympathie, die ich zu ihnen auf meinen Reisen gewonnen habe. Polynesier gibt es hier auch, und die hab ich seit meiner Zeit bei den Maori sowieso ins Herz geschlossen. Mit dem einfachen Leben habe ich kein Problem. Hier rennt mit den Menschen alles viel stressfreier ab als auf vergangenen Reisen in arme Gegenden , sehr angenehm, selbst in der Stadt. Nach drei Tagen der Akklimatisierung war ich dann aber auch froh, als es von Honiara ins Land hinaus gehen sollte.

Anflug auf Honiara

in Honiara

am Markt

gefahren wird klarerweise mit Toyota Hiace,…

…zum nahe gelegenen Strand geht man aber zu Fuß…

…und auf die Inseln geht es dann im Idealfall mit so einer Kiste, die fesche “Einheimische” neben mir ist Delia ;-)

Erstens kommt es anders, und zweitens…Fidschi

Irgendwie hat sich auf meiner Reiseroute eine Möglichkeit zum Zwischenstopp auf den Fidschi-Inseln ergeben und auch Wolfram hat beschlossen, dass er mich gerne noch hierher begleitet, bevor er dann ohne mich seine Weiterreise nach Argentinien antritt. Immerhin hörte man von allen Leuten im nahen Australien und Neuseeland, wie schön es auf Fidschi sein soll und dass man sich einen Kurztrip dahin zu den billigen Flugtarifen nicht entgehen lassen sollte. Fidschi-Werbung sieht man überall auf den Flughäfen und es wird mit Klischees und dem paradiesischen Image nicht zurückgehalten…Sonne, Meer, Strand und freundliche Menschen…diese Bilder versteht doch jeder.

Hatte ich in Neuseeland noch gerade die Erfahrung gemacht, was es heißt, irgendwo ohne große Erwartungen hinzufahren und dann ganz reich beschenkt zu werden, so war das in Fidschi also von vornherein gar nicht möglich, weil die Erwartungen hier ganz klar sind. Es sollte aber anders kommen als erwartet, wie es halt im Leben oft so ist…

Wir sind am Abend am internationalen Flughafen auf der größten Insel des Landes angekommen, der in der 30.000 Einwohner zählenden Stadt Nadi liegt – auf den ersten Blick ein typisches, vor sich hin gammelndes, tropisches Loch, das den meisten Reisenden nur als Basis zur Weiterreise auf andere, kleine Inseln dient. So war es auch unser Plan, am nächsten Morgen möglichst bald auf eine der Inseln rauszuschiffen und dort eine Woche gemeinsam zu verbringen, bevor sich unsere Wege wieder trennen sollten. Also sind wir in ein beliebig und schnell ausgesuchtes Quartier gegangen – wir würden dort eh nur ein paar Stunden schlafen.

Aber da haben wir die Rechnung ohne den Wettergott gemacht. Bei einem schnellen nächtlichen Spaziergang durch unser nahe gelegenes Stadtviertel ist schon ein verdächtiger Wind aufgekommen und ich habe zu Wolfram gemeint, dass da wohl ein ordentliches Wetter kommen dürfte. Und so war es dann auch.

Fidschi wurde von einem verheerenden Sturmtief getroffen, wie es die Leute hier nach eigenen Angaben noch selten erlebt haben. Wir wurden in der Nacht aufgeweckt, als der Wind den Regen gegen unsere undichten Fenster peitschte und Wolfram schon in einem halben Sumpf gelegen ist. Draußen haben sich die Palmen im Sturm nur so gebogen und man hat kaum sein eigenes Wort verstanden vor Lärm. Uns war gleich klar, dass da mit Bootfahren am nächsten Tag nichts laufen wird. Der Sturm mit Dauerregen hat ganze sechs Tage angehalten, wurde bald zum Zyklon erklärt (das ist ein Wirbelsturm und nicht ein einäugiger Riese) und hat hier auf der Insel verheerende Schäden angerichtet. Das Stadtzentrum und ein Großteil der Umgebung wurde ein paar Meter tief überflutet, viele Menschen verloren ihr Heim, in den Supermärkten ist alles leergehamstert, es gab weder Strom noch Wasser und es herrschte Ausgangsverbot aufgrund von Plünderungsgefahr. Wir hatten Glück mit unserer Quartierwahl, da wir in einer Gegend gelandet sind, wo das Wasser gut abrinnt und wir so unsere Allerwertesten im trockenen hatten.

Es kamen hier immer mehr andere Ausländer an, die von irgendwelchen Inseln mit dem Hubschrauber evakuiert worden waren, und es herrschte eine gewisse Atmosphäre von Auffanglager. Viele ließen sich schnell ihre Flüge umbuchen, die Preise dafür sind gleich in utopische Höhen geschnellt und die Termine haben aufgrund des Wetters eh nicht gehalten. Überall herrschte Aufregung. Bei vielen der Ausländer hat man gemerkt, wie schnell sie die Nerven verlieren und in Panik verfallen, wenn nicht alles planmäßig läuft, und wie sehr sie auf ihre kleinen Problemchen fixiert sind, während ein paarhundert Meter weiter die Leute verzweifelt um ihre Häuser kämpfen. Die Einheimischen hier sind ein so starker und positiver Menschenschlag, dass sie auch in der größten Not nicht den Mut und sogar den Humor verlieren – sehr beeindruckend. Das kenne ich auch von den Leuten in Guatemala…die Mentalität in armen Ländern ist da ganz anders als in unserer westlichen Welt, wo der Mensch gewohnt ist, sich über Versicherungen eine vermeintliche Sicherheit zu kaufen, die es hier nicht (und auch sonst nirgends) gibt.

Naja, nachdem ich in den vergangenen Wochen immer zur rechten Zeit am rechten Ort war, war für mich in dem ganzen Chaos sofort klar, dass für uns in Fidschi halt statt den geplanten Aktivitäten ein intensives inneres Geschehen am Programm stehen wird und dass das schon so seine Richtigkeit hat. Es war klar, dass der Sturm Tage dauern würde, so hab ich mich in aller Ruhe in unser Zimmerchen zurückgezogen und in Klausur begeben, ein paar Tage gefastet, nachgedacht, gelesen, die Wahrnehmung nach innen gerichtet und die vergangene Zeit revue passieren lassen. Wolfram hat sich die innere Ruhe etwas härter abringen müssen, aber auch er hat sich bald den Umständen ergeben und ist auch ganz ruhig und ausgeglichen geworden.

Ich war zuerst ein bisschen an die Situation erinnert, die ich mit Nane vor drei Jahren in Usbekistan hatte. Seit den damals durchstandenen, intensiven inneren Erfahrungen von Samarkand verstehe ich, dass man manchmal durch auf den ersten Blick widrig aussehende Bedingungen in eine Phase der Ruhe und des Rückzuges gezwungen werden muss, um so zu lernen, sich neu zu positionieren und für den kommenden Weg vorzubereiten und zu stärken.

Genau das haben wir hier auf Fidschi gemacht und es ist definitiv ein guter Ort dafür. Viele Menschen sagen, dass hier einer der zentralen Energiepunkte unseres Planeten sein soll – das Nabelchakra der Erde und eine Gegend von besonders hoher Einstrahlung von kosmischer Lichtenergie. Viele Menschen sehen ja die Chakren als Energiewirbel und gewirbelt hat der Zyklon hier ausgiebig. Der Wind bringt Ausgleich und Regen bedeutet immer Reinigung. In diesem Sinne habe ich mich auch mit der Kraft der Elemente und des Ortes verbunden und dabei auch meine persönlichen Einsichten gewonnen. In der Zeit der Ruhe konnte ich einiges in mir sortieren.

So haben wir das Beste aus der Situation gemacht. Fasten, innere Bewegung und dazu auch ein dem Platzangebot angepasstes sportliches Workout, damit wir nicht einrosten hier. Verhungert oder verdurstet sind wir auch nicht und die Seuchengefahr in unserem Quartier war gebannt, nachdem das Duschen im Regen sich als sehr effizient erwiesen hat und wir Wasser für die Klospülung mit Kübeln aus einem nahe gelegenen Swimmingpool holen konnten. Für uns war es nicht schwer, die eigene Situation mit Humor zu nehmen. Wie angespannt die Lage derweil für die Einheimischen war, war uns dabei doch jederzeit bewusst und ein paar der unten stehenden Bilder, die mir jemand gegeben hat, zeigen es auch.

Mittlerweile beruhigt sich die Situation wieder ein wenig, es gibt wieder Strom und wir werden wohl hoffentlich planmäßig am Donnerstag abreisen können. Fidschi war zwar nicht das, was wir uns erwartet hatten, aber das braucht ja sowieso nicht der Maßstab sein. Für mich war es eine ganz wichtige und wertvolle Zeit der Ruhe hier. Inseln und Strände habe ich in meinem Leben schon genug gesehen und es werden noch mehr auf meinem Weg liegen. Es kann auch nicht immer die Sonne scheinen auf dieser Welt der Polarität, aber wir sollten sie möglichst in uns und aus uns selber scheinen lassen – das ist uns hier auch gut gelungen. Ich bin dankbar dafür, dass wir hier wieder gut rauskommen und so viel Positives mitnehmen können, wenn auch ganz anders als gedacht. Und ich wünsche den netten Fidschianern, dass der Schrecken der letzten Tage in diesem ohnehin armen Land nicht zu lange nachwirken muss.

Mit der Abreise von Fidschi geht auch der gemeinsame Reiseabschnitt mit Wolfram zu Ende. Wir hatten eine echt gute Zeit miteinander und einen sehr guten Austausch. Danke dir dafür, mein lieber Freund, möge sich dein Weg durch diese deine Reise gut weiteröffnen!

das einzige Foto, das ich auf Fidschi gemacht habe- Blick aus dem Quartier

so sah es ums Eck aus

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verendete Tiere

Survivor!