Cerro Rico – die Hoelle von Potosi

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Der heutige Tag wr ordentlich bewegend, und oft sind es die unschoenem Dinge, die einen bewegen…dafuer sind sie auch da.

 In der Frueh um 9 bin ich zusammen mit einer Englaenderin und einem ehemaligen Minenarbeiter als Fuehrer zur Minentour zum Cerro Rico aufgebrochen. Am Weg dorthin bleibt man am Markt der Mineros (=Minenarbeiter) stehen und kauft ein paar Sachen ein. Vor allem Geschenke fuer die Mineros, da man tatsaechlich dorthin geht, wo die arbeiten, und als Tourist ja von denen geduldet wird. Also kauften wir ein paar Flaschen Cola, Zigaretten und ein paar Beutel Cocablaetter zum verschenken. Ausserdem eine Stange Dynamit mit Zuendschnur und irgendeinem Pulver, das die Sprengkraft erhoehen soll. Dieses Packerl ist gleich in meinem Rucksack gelandet. Der Minerosmarkt von Potosi soll angebleich der einzige Ort weltweit sein, wo man Dynamit einfach so kaufen kann, keine Ahnung ob das stimmt. Jedenfalls hat unsere Bombe nur ca. 75 Cent gekostet und eine enorme Sprengkraft gehabt, wie uns spaeter vorgefuehrt wurde.

Unser Fuehrer hat selber 7 Jahre in den Minen geschuftet und fuehrt jetzt schon seit 15 Jahren Touristen in die Minen. Waehrend andere, grosse Gruppen in eher touristische Minen gegangen sind, haben wir uns mit Helm, Anzug und Lampe ausgeruestet in eine sehr belebte Mine vorgewagt, wo auch heute am Samstag ordentlich gehackelt wird, hat es geheissen.

Gleich vorweg, die Minen sind die Hoelle, ohne Uebertreibung. Man kann sich nicht vorstellen, wie hart und unter welchen Bedingungen die Leute darin schuften. Sowas grausames hab ich bis heute nicht gesehen.

Wir sind also nichtsahnend in eine der ueber 500 Oeffnungen des Berges einmarschiert, erst noch aufrecht aber – vor allem ich – bald schon im Zwergengang. Das war in der Hoehe von 4500 Metern schon ziemlich anstrengend. 100e Meter sind wir so in den Berg hineingegangen. Alle 5 Sekunden haut man sich den Helm an der Decke an, staubig ist es und es wird immer heisser, dass einem die Bachln nur so herunterrinnen. Am Boden steht teilweise 30 cm tief das Wasser. Alle paar Minuten kommen einem Mineros entgegen, entweder mit einem Sack auf dem Ruecken oder einen Hunt schiebend, das sind die Schienenwagerl, wo das Erz eingefuellt wird. So oder so haben sie einen Affenzahn darauf und einen Gesichtsausdruck, der einem Angst macht.

Die Mineros fuehren ein unmenschliches Leben. Zu jeder Tages- und Nachtzeit steigen sie in den Berg ein und bleiben teilweise fuer 20 Stunden drinnen zum schuften, frueher soll das noch aerger gewesen sein. Der Dreck und Staub ist ungleublich, dazu giftige Gase und keinerlei Sicherheitsvorkehrungen. Zum Essen und Trinkenm habn sie nichts mit, lediglich die Backe dick mit Cocablaettern gefuellt. 18000 Mineros schuften derzeit hier in diesem Berg.

Wir sind immer weiter gegangen und ich habe die Minen immer mehr gehasst, mit meiner Groesse war ich ein armes Schwein. Es wurde immer enger, hisser und dreckiger. Teilweise mussten wir durch Engstellen durchrobben und den kleinen Rucksack mit den Geschenken vor uns herschieben. Unser Fuehrer war sehr bestrebt, uns zu zeigen, wie es wirklich ausschaut fuer die Mineros. Also hat er uns an dieletzten Enden der Gange gefuehrt, wo dann tatsaechlich abgebaut wird. Ich hab meinen Augen nicht getraut. Wir sind durch enge Stellen geschlieft, senkrecht rauf und runtergekrabbelt, ueber eine 30 m hohe Leiter ind die Tiefe gestiegen, etc.. Am Ende eines jeden Ganges hat ein Arbeiter sein Platztl. Und weil sie keinen fixen Lohen haben, sondern nach Menge und Qualitaet des Erzes gezahlt werden, schaut ein jeder gierig auf seinen Claim. DiE Mineros klauben mit dere Hand Stein fuer Stein in Saecke, die sie dann ueber den Hindernislauf nach aussen tragen. Ich habe vrsucht so einen Sack aufzuheben. Aufheben ging noch , aber tragen-njet! Ca. 70 Kilo Erz pro Sack. Die Mineros haben nicht viel geredet, in ihren Augen war eine traurige Leere. Kein Mensch tut sich sowas freiwillig an, einfach furchtbar!!!!!

Ich war dermassen froh, als es geheissen hat, dass wir den Rueckzug antreten und wir aus dem Staub und der furchtbaren Hitze von bestimmt 35 Grad wegkamen. Wie schoen, wieder im Licht zu sein. Was ich im Inneren dieses Berges gesehen habe, hat mich fuer die naechsten Stunden ordentlich beschaeftigt. Gleichzeitig habe ich mich daurnd gefragt, wozu ich nach Potosi kommen musste. Immerhin habe ich einen weiten und anstrengenden Weg auf mich genommen, um dann diese grauenhafte Tortur (nach den 3 Stunden Herumlaufen und -krabbeln im Berg war ich einfach nur fix und foxi!) durchzumachen und mir dieses Elend anzuschauen. Die Stadt an sich hat auch nichts nettes, der Menschenschlag hier ist eher hart und distanziert, wie auch nicht?! Als bewusst Reisender fragt man sich also: warum hierher?

Fest steht, die Geschichte dieses Ortes ist furchtbar. Wie kaum anderswo wurden hier die Indigenas (das sind die Einheimischen, die faelschlicherweise oft als Indios oder Indianer bezeichnet werden) ausgebeutet und gedemuetigt, versklavt und gemordet um der spanischen Krone und anderen Herrschaftsstrukturen Reichtum zu verschaffen. Der Berg war den Inkas heilig und sollte unberuehrt bleiben. Die spaeteren Unterdruecker haben den Berg ausweiden lassen und die Einheimischen haben mit ihrem Blut bezahlt. 46000 Tonnen wurden allein Silber aus dem Berg geschafft, dazu auch noch einige ander Minerale wie z.B. Zinn. Heilig ist hier heute nichts mehr. Was sich hier seit ueber 450 Jahren abspielt, hat mit der Heiligkeit und Wuerde des Menschen und seiner Umwelt genau nichts zu tun!

Am Nachmittag sollte ich draufkommen, dass ich wohl auch einen kleinen Anteil am Karma dieses Ortes habe. Vom Minengang ziemlich geschwaecht, hab ich mich in die Hauptattraktion des kolonialen Ortszentrums begeben, der Casa Real de La Moneda, der ehemaligen koenioglichen Muenzpraeganstalt, wo das Silber in Muenzen geformt wurde.  Eigentlich hats mich dort gleich angezipft, weil ich ein Ticket gekauft hab und dann erst erfahren habe, dass ich nur mit der Fuehrung in einer Stunde hineindarf, wo ich eigentlich in einer Stunde schon wieder im Quartier sein wollt. Also hab ich erst so gut es mit meinem Spanisch geht meinen Unwillen ausgedrueckt und hab mich dann grantig auf ein Bankerl gesetzt und gewartet, weil ich fuer andere Aktionen zu muede war. Dann hab ich was gelesen und mit meiner Kamera herumgespielt. Gewartet hab ich 1,5 Stunden, und ich war schon volle sauer, dass ich dieses Scheissticket gekauft hab, weil eigentlich hatte ich gar keine Lust mehr, mir diese Kolonialbunker anzuschauen . Ploetzlich hat es geheissen, dass die Tour jetzt losgeht und ich mich tummeln soll, sonst kann ich wieder heimgehen. Es hat sich eine Traube von Menschen angesammelt, der ich flux gefolgt bin. Im ersten Saal hab ich dann registriert, dass meine Kamera weg ist. Scheisse! Zurueck zu meinem Sitzplatz, dort auch nichts. Die 5 Polizisten, die die ganze Zeit dort herumgestanden sind, haben natuerlich auch nichts gesehen. Nachdem ich mit denen alles besprochen hatte, was ich auf spanisch zum verschwinden meiner Kamera zu sagen hatte, war mir schon saukalt, das Gebaeude und Museum wurscht und ich noch saurer. Es war mir nicht zu erklaeren, wie die Kamera verschwinden sollte, aus der Tasche gelupft hat sie mir sicher keiner. Eher hab ich sie beim herumspielen kurz heraussenliegen gehabt, und irgendwer hat sie dann “gefunden”.

Naja, waehrend die Bullen alibimaessig herumgeschnueffelt haben, hab ich ich damit abgefunden, dass die Kamera weg ist. Irgenwie schon seltsam. Nirgends passiert einem was, und dann gerade da, wo die Sicherheit gross zu sein scheint, weil kaum Leute und viele Bullen. Warum musste ich meine Kamera ausgerechnet an dem Ort hergeben, der wohl wie kein anderer in ganz Amerika fuer den unheimlichen Raub steht, den die Europaeer in der neuen Welt angerichtet haben, dem Muenzhaus von Potosi…? (Vielleicht ein kleiner Akt des Ausgleiches…)

Wer mich kennt, weiss, dass ich nicht an Zufall glaube und mich mit dieser Frage ernsthaft auseinandersetze. Antwort erwarte ich dabei keine. Dafuer hoffe ich, dass nicht nur mein Reise- sondern auch mein Karmarucksack etwas leichter geworden ist und ich meinen Tribut gezahlt habe. Davon gehe ich aus und somit kann ich auch damit klarkommen. Es gibt schmerzhaftere Dinge als das Abgeben einer Kamera. In LaPaz werde ich schauen, dass ich eine neue, schoene Kamera kaufen kann. Um die Fotos aus der Mine ist es schon schade, aber was solls…

Morgen fahre ich weg von hier, schon tief bewegt, muss ich sagen. Und froh, dass ich nicht hierbleiben muss, wie so viele…

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4 Gedanken zu „Cerro Rico – die Hoelle von Potosi

  1. muma

    Lieber Jörg!

    Dein Bericht von den Minenarbeitern in Potosi hat mich sehr berührt (ich ertappte mich dabei, als mir Zacherlan über die Wangen kollerten…). Gleichzeitig freut es mich, dass Du während Deiner Reise auch vor diesen Dingen nicht wegschaust und nicht ausschließlich auf die attraktiven und “fotogenen” Touristenziele ausgerichtet bist. Danke, dass Du uns daran teilhaben lässt! Bei der Vorstellung der durchschnittliche Körpergröße eines bolivianischen Minenarbeiters im Vergleich zu Deiner relativen Riesengestalt verspüre ich körperliche Qualen, wenn ich mir Dich im Zwergerlgang durch den Stollen kriechend vor Augen führe.
    Die Eindrücke, die Du dort gesammelt hast bleiben Dir auch ohne Kamera sicher im Gedächtnis!
    Ich umarme Dich und begleite Dich mit meinen Gedanken!
    muma

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  2. sit

    so gibt es das also nicht nur in mittelerde beim saruman, in den minen von moria und den orksen, sondern leider im wirklichen leben auch… da erscheint die eigene arbeit wieder unter einem ganz anderen licht…
    was zählt da schon ein fotoapparat oder sonst ein schmarrn. pass auf dich auf, kleiner bruder! BuSit

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  3. Friedl

    Hallo Jörgi!
    Beeindruckend dein Bericht! Schade um die Fotos aber durch deine ausgezeichnete Beschreibung und sensationelle Wortwahl bleibt der “Eindruck” eh gut im Gedächtnis. Hinsichtlich des “Zufalls” stimme ich dir zu. Bin gespannt, was dadurch weiter passiert! Am Ende wird es heißen….wenn mir die Cam nicht gestohlen worden wäre hätte ich nie im Leben……

    Also derweil besten Gruß in die Fremde!!
    Friedl

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  4. Tante Gitti

    Hallo Jörgl! Schön, dass es Dir etwas besser geht! Die klirrende Kälte und Deine anstrengenden Reisen haben Dich gezwungen, ein bisschen “auszuruhen”. Jörg, wenn ich Deine Berichte lese, samt Fotos, spüre ich mein Herz- und Halschakra so stark, teils vor Glück, teils vor Traurigkeit (Dein Minenbericht hat mir’s sehr angetan…). Ich bin sehr dankbar, dass ich das Glück habe, bei Deinen Erlebnissen (fast) dabei sein zu dürfen!!!Ich bin richtig verbunden mit Dir. Dein Cousin Michael hat sich jetzt auch eingeklinkt und auch er findet alles sehr interessant (ein ehemaliger Traveller…). Deine Einstellung zu den Einheimischen gefällt mir sehr! ich wünsche Dir alles alles Gute, weiterhin interessante Erlebnisse (Schöne und vielleicht weniger schöne, alle sind Erfahrungen, die Dir keiner nehmen kann!). Ich wünsch Dir auch eine wunderschöne Zeit mit “Gunti”, den ich ja durch Deine Berichte kennenlernen werde…
    Alles Liebe T. Gitti

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