Es macht kostenmäßig keinen nennenswerten Unterschied, ob man von den USA direkt nach Guatemala fliegt, oder ob man auf halber Strecke vom Flugzeug auf den Bus umsteigt und die Gelegenheit nutzt, am Rest des Weges ein paar interessante Zwischenstopps zu machen. So hab ich einen billigen Flug von Phoenix nach Mexico City genommen und dort erst mal ein paar Tage verbracht.
In Mexico City war ich ja schon öfter und es ist wirklich eine sehr lebendige und interessante Stadt, wo man wohl Jahre verbringen könnte, ohne dass einem dabei fad wird. Nach den eher beschaulichen vergangenen Wochen im Westen der USA hab ich mir im belebten Mexico erst einmal ein bisschen Entertainment gegeben. Zuerst ein schöner Kaffee. Dann hab ich die Chance genutzt mich in der Arena mit tausenden verrückten Mexikanern beim „Lucha libre“, der mexikanischen Urmutter des Wrestlings, zu amüsieren. Und danach ging es direkt weiter in das freitägliche Nachtleben.
Zu spät wollte ich dann aber nicht ins Bett. Sooft komm ich dann ja auch nicht nach Mexico City, und es gibt dort ein paar Lieblingsplätze, an denen ich nicht vorbeikomme. So bin ich auch diesmal zu den größten Pyramiden Amerikas, jenen von Teotihuacan, gefahren. Und am besten ist es dort am frühen Morgen, bevor die Schar von Besuchern daherkommt und ihren Rummel veranstaltet. In der Früh hat man den Platz quasi für sich alleine und kann in Stille herumspazieren und alles würdig genießen und in sich aufnehmen. Teotihuacan ist eines der großen Zentren des präkolumbianischen Amerikas und zu seiner Blütezeit war es eine der größten Städte der Welt. Von der Zivilisation, die all das hervorgebracht hat, ist nicht viel bekannt. Der Name wurde der Stadt viel später von den Azteken gegeben und heißt so viel wie „der Platz, an dem der Mensch zum Gott wird“…sehr vielversprechend oder zumindest Phantasie anregend also. Wenn man durch Teotihuacan spaziert, fühlt man sich wie in eine andere Ära der Menschheit versetzt. Es ist ein Platz von purer Feuersenergie und einer der beeindruckendsten Orte, die man auf dieser Welt besuchen kann. Der Besuch in Teotihuacan war ein wahrer Höhepunkt meiner Reise. Den Nachmittag danach habe ich zu einem Stadtbummel genutzt.
Am nächsten Morgen bin ich nach Tula aufgebrochen, dem Zentrum der so genannten Tolteken-Kultur, welches unweit von Mexiko City gelegen ist – ein sehr schöner uns auch ruhiger Platz.
Für den Nachmittag habe ich mir ein besonderes Schmankerl aufgehoben, und zwar einen Besuch bei der Kathedrale von Guadalupe im Norden von Mexico City. Am Fuße des kleinen Hügels, wo heute neben einigen anderen Kirchen eine Kathedrale für angeblich 40.000 Leute steht, erschien kurz nach dem Einmarsch der Spanier vor 500 Jahren eine Indianermadonna im christlichen Kleid. Ich bin ja kein besonders großer Freund der Kirchen und betreibe normal auch keine Heiligenverehrung, für die Virgen von Guadalupe mache ich da aber eine der seltenen Ausnahmen. Sie tritt zwar als „Katholikin“ auf, aber viel mehr als das ist sie eine uralte, mit dem Feuer des Landes verbundene Azteken- und Indianergöttin, die von den Indigenen Mittelamerikas als ihre Patronin verehrt wird. Nur als das sehe und mag ich sie auch und in diesem Bewusstsein habe ich mich auf einen Besuch bei ihr gefreut.
Guadalupe ist ohne Konkurrenz der wichtigste aller Wallfahrtsorte von Mittelamerika. Auf dem riesigen Platz kann man zwei Kathedralen, ein paar Kirchen, eine Riesenfigur von Papst Juan Pablo Dos und vieles mehr betrachten. Interessant ist aber der tägliche Ansturm tausender Gläubiger und Pilger, die auf sehr intensive und oft auch originelle Weise ihren Glauben ausdrücken, wie man das in Europa so nicht zu sehen bekommt. Ich schau mir das immer gerne an. Als ich an jenem Sonntag in Guadalupe ankam, schien es zuerst so, als ob der ganz normale Betrieb über die Bühne gehen würde. Doch zufällig und vollkommen unerwartet war ich zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und es sollte ein Nachmittag ganz nach meinem Geschmack werden. Circa eine halbe Stunde nach meinem Eintreffen hörte ich ein immer lauter werdendes Trommeln und man sah aus Richtung des breiten Auffahrtsboulevards Rauchschwaden aufsteigen. Wenig später betrat die erste Gruppe von aufwändig dekorierten, laut trommelnden und wild tanzenden Aztekentänzern den Platz. In der nächsten Stunde marschierte eine Gruppe nach der anderen ein. Ein alter Azteke verriet mir, dass an diesem einen Sonntagim Jahr alle Aztekentanzgruppen des Landes zur Guadalupe pilgern um den aztekisch-indianischen Ursprung der Göttin zu ehren. Bald war der Platz voll von halbnackten Indianern, die ihre aufwändigen Masken, Federkronen sowie ihre Tänze zur Schau trugen. Man konnte kein Wort mehr hören, so laut war das Getrommel rundherum. Es wurde echt wild abgetanzt – pures Feuer, und ich freute mich über das archaische Schauspiel. In der Kathedrale, die sich langsam mit Azteken füllte, hörte man vom Pfarrer kein Wort mehr, so laut war es draußen auf dem Platz. Ich war voller Freude, schaute mir das ganze Treiben noch bis Sonnenuntergang an und am nächsten Morgen fuhr ich zufrieden von Mexico City ab. Der erste Zwischenstopp in Mexico hat sich schon mal ausgezahlt.