Die Zeit vor Weihnachten hatte uns zuhause in Österreich noch einiges an Schnee beschert und so hatte auch Māui einen ersten bewussten Kontakt mit der weißen Pracht. Es hat ihm klarerweise sehr gefallen und viel Spaß gemacht. Aber wer partout keine Handschuhe anziehen will, der muss wohl auch leiden oder sich nach Neuseeland aus dem Staub machen. Wir sind an sich ja nicht so große Fans des Leidens und hatten uns sowieso schon für die zweite Option entschieden.
Weihnachten verbrachten wir noch schön zuhause mit Oma und Opa. Der neuerliche Abschied nach mehreren Monaten des Zusammenlebens fiel dann freilich nicht leicht. Doch wenn man zwei Familien auf zwei Kontinenten hat und dazu das Glück, dass man mit beiden Zeit verbringen kann, dann gehört das Abschiednehmen leider auch dazu. Und während wir Österreich mit der Erinnerung an eine schöne Zeit hinter uns lassen mussten, durften wir uns auf drei vielversprechende Sommermonate mit unserer Familie in Neuseeland freuen. Die Flugdauer allein ist eh lange genug, um sich innerlich von einer Welt auf die andere einzustellen.
Māui war einmal mehr ein problemloser Reisender, hat viel geschlafen und zwischendurch den Flieger erkundet bzw. auf mehr oder weniger charmante Weise die Reisenden um uns herum unterhalten. Der Flug nach Neuseeland ist schon sehr lang, aber man stellt sich darauf ein. Ich persönlich freue mich immer über ein paar Stunden des aufgezwungenen Nichtstuns, denn das gönnt man sich eh viel zu selten.
In Neuseeland wurden wir schon freudig von der Familie erwartet und so verbrachten wir die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr zusammen am Marae. Die Wiedersehensfreude war riesengroß bei uns allen.
Gleichzeitig haben wir dann auch schon bald einige Leute getroffen um ein paar bevorstehende Vorhaben zu besprechen. Für Jänner und Februar hatten wir zusammen mit Wyns Familie und Kollegen aus der Maori-Bewegung eine intensive Zeit des gemeinsamen Lernens geplant. „Wananga“ nennt sich die traditionelle Form der Wissensvermittlung in der Maori-Kultur. „Hikoi“ sagt man zu Ausflügen und kleinen Reisen. Und von beiden sollte es viel geben. Besuche von Ältesten, Heiler/innen und Experten aus verschiedenen Stämmen auf der Nordinsel. Die Maori-Kultur erfährt seit geraumer Zeit eine intensive Renaissance. Die Menschen sind sehr gut vernetzt und organisiert. Das Schöne dabei ist der spürbare Freiraum in den Zusammentreffen, wo man ganz man selbst sein und sich mit den anderen Leuten austauschen kann. Das Leben am Marae, dem Ahnengrund, ist ein wesentlicher Bestandteil des Miteinanders. Die gemeinsame Basis, auf der man sich als Familie trifft. Getragen von einem ganzheitlich-traditionellen Weltbild, das das Miteinander und die Gemeinschaft fördert. Ein für alle in jeglicher Hinsicht gebendes und nährendes Feld – physisch, emotional, mental und spirituell.
So haben wir drei schöne und erfüllte Monate auf unserem Marae und auch verschiedenen anderen Maraes verbracht – umgeben von Familie, vielen Kindern und Freunden. Zusammen leben, arbeiten, lernen, essen, schlafen und eine gute Zeit verbringen. Jenseits aller gewohnten Stressfaktoren des „normalen“ Lebens.
Ich bin mittlerweile mit dem Umgang unter den Maori sehr gut vertraut und Māui kennt das sowieso von Geburt an. Heuer hat er natürlich schon viel mehr mitbekommen als zuvor und vor allem die Zeit mit seinen Geschwistern und Cousins sehr genossen. Und natürlich seinen Koro (so heißt der Opa bei den Maori), mit dem wir oft zusammen am Strand fischen gegangen sind. Die Essensbeschaffung ist ja ein essentieller Teil des Lebens und es ist wichtig, dass auch Māui lernt, dass unsere Nahrung nicht im Supermarkt wächst.
Unsere Zeit heuer war zudem auch geprägt von einigen Tangis (Beerdigungen und die Zeremonien drum herum) in der Großfamilie und im Bekanntenkreis. Der positive Umgang der Maori mit dem Tod ist eine sehr bereichernde und erweiternde Erfahrung. In den großen Zusammenkünften rund um Todesfälle wird die Gemeinschaft und Familie intensiv gelebt. Es werden Verbindungen bestärkt bzw. neu geknüpft und so wie immer die Gastfreundschaft hochgehalten. Die Zeremonien werden von den angesehensten Expert/innen und Ältesten der Tradition durchgeführt – Rhetorik, Gesänge, Gebete, Haka, u.v.m bis hin zur Kochkunst. Von den Kindern bis zu den Alten hat auch dabei jeder seine Rolle in der Gemeinschaft.
Ahja, Māuis zweiten Geburtstag haben wir auch wieder ordentlich gefeiert, zusammen mit dem Todestag von seiner Oma, meiner Schwiegermutter. Natürlich am Marae mit der ganzen Familie und einem zünftigen Festmahl.
Der Sommer in Neuseeland ist an sich wunderbar und es bedarf nicht viel zum Glücklichsein. Es gibt so überall viele beeindruckende Plätze, man ist nahe an der Natur und den Elementen. Man ist frei und leicht, es ist genug Platz für alle, die Leute sind unkompliziert, es gibt immer genug und köstliches Essen aus den Gärten und dem Meer und unzählige Momente, in denen man sich verbunden und ganz fühlt.
Māui hat in den drei Monaten in Neuseeland wieder viel gesehen und gelernt und ist nicht nur physisch ordentlich gewachsen. Durch die Freiheit und die anderen Kinder hat er seine Unabhängigkeit und seinen Aktionsradius stark erweitert. Er spricht jetzt noch mehr Englisch und der Babyspeck ist durch die viele Bewegung im Freien auch endgültig weg.
Wir hatten eine wunderbare Zeit. Ende März, auf den Tag genau nach drei Monaten, sind wir dann wieder abgereist. Wie immer fiel auch der Abschied von Neuseeland und vor allem der Familie sehr schwer und wir freuen uns schon jetzt, wenn wir nächstes Jahr wieder nach Aotearoa kommen dürfen.
Māui schaut seinem Cousin Harawira ganz genau zu. Mau Rakau, traditionelle Waffenkunst der Maori.