Lebensgefahr

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Wir haben ja schon von anderen Leuten gehoert, dass einem die Hyaenen ganz schoen Angst einjagen koennen, schliesslich sind sie ja auch nicht ganz ungefaehrlich und sehen grimmig aus. Aber es haben ja auch schon tausende von Besuchern das Hyaenenschauen in Harar ueberlebt, also warum wir nicht auch.

Wir sind also raus aus der Stadtmauer zu einem der beiden Hyaenenplaetze, wo alte Hyaenenmaenner die Tiere nach Sonnenuntergang jeden Tag rufen und dann fuettern.

Wir kommen zu dem Platz , an dem auch ein riesiger alter Baum steht, darunter ein Grab eines alten Muslimgelehrten. Der Platz ist schon hell beleuchtet von einem Touristenauto, das ist gut fuer die Sicht, sagt man uns – eh klar. Ausserdem hoertman seltsame Rufe, mit denen ein Typ die Hyaenen lockt. Diese hoert man auch schon jaulen. Und man sieht auch schon ein paar der buckligen Kerlchen herumrennen. Ein wenig grimmig schauen sie schon aus in der Dunkelheit, aber Angst bekommt man nicht wirklich. Ausserdem steht im Hintergrund ganz diskret einer mit seiner AK47-Automat Kalaschnikoff. Kein Problem also.

Eine Tourigruppe ist auch da, leider Deutsche, die dauernd den Suppenschlitz offen haben, und das Hyaenen-Spektakel kaum beachten, da sie so sehr mit ihrer eigenen Weisheit und deren Weitergabe beschaeftigt sind-typisch!  😉

Wir gehen aber gleich zum Hyaenenfuetterer hin, der den Kerlchen mal mit der Hand , mal mit dem Mund Fleischfetzen reicht. Die Hyaenen sind recht sanft bei der Nahrungsuebernahme und man hat das Gefuehl, dass sie mehr Angst vor uns als wir vor ihnen haben. Dennoch ein eigenes Gefuehl, so einem Viech direkt ins Gesicht zu schauen. Waehrend die anderen Ferenji sich ziemlich auf Distanz halten und wohl auch ein wenig Angst haben, gehen wir in medias res und fuettern die Hyaenen auch ein wenig, aber nur mit der Hand. Eine ganz nette Erahrung. Als der Hyaenenmeister heimgeht, laesst er noch einen Haufen mit Knochen zurueck, auf den sich die Viecher dann in der Dunkelheit stuerzen. Wir bleiben alleine zurueck und schauen uns das an, das Krachen der Knochen zwischen den Kiefern ist recht beeindruckend. Zufrieden gehen wir wieder heim, frueh ins Bett, weil es am naechsten Morgen um 400 Uhr losgehen soll, zurueck nach Addis.

Der aufmerksame Leser wird sich jett wohl fragen, wie es zum Titel dieses Artikels gekommen ist…die Hyaenen koennen es ja nicht gewesen sein, auch wenn die Erwartung in diese Richtung ging.

Nein, die Todesgefahr ging wieder einmal von der “Bestie Mensch” aus, und zwar folgendermassen:

Um 4 Uhr hat uns der Minibus vereinbarungsgemaess beim Hotel abgeholt. Ich hab wieder herumgeraunzt und dieses Mal den begehrten Beifahrersitz ganz vorne mit Arschheizung direkt vom Motor (der ist beim Hiace unter dem Sitz) bekommen. Nicht schlecht…der Fahrer hat auch einen erfahrenen und vernuenftigen Eindruck gemacht-Tiptop. Wir sind noch eine Stunde durch Harar gefahren, bis alle an Bord waren, neben mir am Mittelsitz hat noch ein junger, aber stoisch und weise wirkender Muslim Platz genommen. Am Ende unserer Stadtrunde kam es dann aber zu einem Fahrerwechsel, und ans Steuer setzte sich ein junges Buerschchen, ca. 20 Jahre alt, voll aufgedreht mit feixend lauter, sich ueberschlagender Stimme herumschreiend. Die Leute aus Harar sind ohnehin als etwas verrueckt verschrien und werden von den uebrigen Aethiopiern dafuer geliebt und gleichzeitig auch gehasst. Schonmal vorausgeschickt, unser Chauffeur war ein besonderes Exemplar, das wurde schon klar, als er die ersten hundert Meter durch die Stadt mit Vollgas durch die bereits im Morgengrauen sehr belebten Stassen gedonnert ist, dass die Menschen nur so auf die Seite gespritzt sind.

Schnell noch ein paar Zicklein (natuerlich lebende, die Ware soll ja frisch ankommen) auf den Dachtraeger gezurrt, und los ging die Fahrt. Die sehr faszinierende und gebirgige Landschaft zog recht rasant an uns vorbei, der Hiace war einer mit guter Motorisierung, und die Tachonadel war bald jenseits wahnsinniger 130. Der “Fahrer” schimpfte vorlaut ueber die Fussgaenger, fuchtelte wild teilweise mit beiden Haenden herum und schaute sich die Gegend an, waehrend ich meinen Blick kaum mehr von der Strasse wenden konnte, besonders in den vielen Linkskurven, die wir auf englische aber nicht ortsuebliche Art auf der linken Fahrspur genommen haben. Auch meinem Sitznachbar war die Angst ins Gesicht geschrieben, auch wenn der Verkehr um diese Zeit noch nicht so belebt war und kaum Autos entgegenkamen. Dem Chauffeur machte das Spiel mit der Gefahr einen irren Spass, auf den Geraden errechte die Tachonadel teilweise 170 kmh, etwas zuviel meines Glaubens, aber 150 sind wir bestimmt geblaettert. Der Nane hat hinten gepennt und von dem Wahnsinn wenig mitbekommen. Wer mich und meine Unfallstatistik der letzten Jahre kennt, weiss, dass ich auch gerne aufs Gas steige. Aber das, was ich da erlebt habe, war auch mir zuviel.

Irgendwann kamen wir aus der Gebirgslandschaft ins Flachland und ich freute mich, dass das wohl der Sicherheit auf dem Rest der Strecke zutraeglich sein wuerde. Zeit auch fuer eine Fruehstueckspause. Wir blieben in einem kleinen Kaff stehen, der Fahrer und seine Spiessgesellen (wie ich herausfand auch Fahrer von Minibussen, mit denen wir im Wettstreit um die erste Ankunft in Addis waren) frassen rohes Fleisch, waehrend Nane und ich zusahen, wie ein riesiger, uralter Ziegenbock (ein vierbeiniger) von Tisch zu Tisch ging und sich halbvolle Colaflaschen mit dem Maul schnappte und den Inhalt in seine Kehle rinnen liess- zum Gaudium der ganzen Leute rundherum. Foto folgt.

Der Fahrer hat sich noch ordentlich mit Chat eingedeckt und weiter ging die Fahrt. Er hat sich noch bei mir erkundigt, ob wir mit der Fahrerei eh zyfrieden seien, ich hab nur JaJa gesagt und gehofft, dass es jetzt besser werden wuerde. Doch habe ich die Rechnung nicht mit dem Chat gemacht.

Der Bursche hat sich Zweig um Zweig abgeklaubt und die Blaetter ins Maul gesteckt, die Wirkung blieb nicht aus. Der Verkehr hat zugenommen, der Uebermut und die Risikofreudigkeit des Fahrers auch. Ein wahnsinniger Typ, vollkommen ueberdreht und irre, der jeden normalen Menschen das Fuerchten lehrt, so auch mich. Wohl der Typ des jungen, komplett angstlosen, draufgaengerischen Afrikaners, der ueber viele Jahrzehnte von Diktatoren und Warlords gerne missbraucht und manipuliert wurde und ohne Angst fuer Kost und ein Dach ueber den Kopf in hoffnungslose Missionen vor die gegnerischen Gewehrlaeufe gelaufen ist.

Nur ein kleiner Exkurs: ein aethiopischer Jungsoldat bekommt 200 Birr (15 Euro) im Monat und weiss bei der Rekrutierung schon, dass er wohl durch eine Kugel verrecken wird. Auch die jetztige Regierung ist imer um Scharmuetzel bemueht, damit die Armee beschaeftigt bleibt und keine Putschplaene schmiedet…

Waehrend der Nane sich wieder ein Schlaefchen gegoennt hat, wie auch die anderen auf den billigen Plaetzen, hab ich den Wahnsinn “erste Reihe-fussfrei” serviert bekommen. Viel Knautschzone hat so ein Hiace ja nicht und einen Unfall durfte man sich nicht einmalausmalen. Die schnell vorbeiziehende Landschaft war grossartig und abwechslungsreich, viele Rinder- und  Kamelherden, bunte Menschen verschiedener Staemme, einzigartige Vegetation und Landschaftsformen…ab und zu ein ausgebranntes Minibuswrack (kein Schmaeh) und hundertfach ueberfahrene Tierkadaver, auch Hyaenen.

Wir sind dahingeblaettert, was geht, der Fahrer ist immer lauter geworden und hat sich ueber die hunderten Leute am Strassenrand und in den entgegenkommenden Autos abgehauen und/oder aufgeregt, die ihm alle den Vogel und/oder den Mittelfinger gezeigt haben. Klare Signale, dass diese Fahrweise auch hier nicht ueblich ist. Ganz im Ernst, wir haben sicher ein paarhundert Autos mit vollem Risiko und Karacho ueberholt, der Gegenverkehr wurde schlichtweg zum Bremsen oder Ausweichen auf das Bankett gezwungen, waehrend wir im umgekehrten Fall keinen Millimeter ausgewichen sind. 

Ich hab sehr viel zum Nachdenken gehabt auf dieser Fahrt. Einerseits darueber, was wohl in diesem jungen, vollkommen fehlgelenkten Menschen vorgehen mag. Andererseits bin ich in einen intensiven Dialog mit Bruder Tod gegangen, den ich um Schutz auf dieser Fahrt gebeten habe. Irgendwann habe ich mich dann entspannt und die Sache mit viel Humor und Gottvertrauen voruebergehen lassen. Aethiopien ist ja nach Jamaica und Indien das Land mit der hoechsten Sterberate im Strassenverkehr weltweit. Jamaica habe ich schon ueberlebt, obwohl dort die Mordrate auch noch dazukommt, also dachte ich mir, dass ich wohl auch aus Aethiopien wieder heil rauskommen werde. Fuer den schlafenden Nane hatte ich natuerlich mitgebetet.

In Addis sind wir schliesslich nach 10 Stunden Wahnsinn eingefahren wie typische Landeier aus Harar, ein paar Ziegen am Dach, den Mund voll Chat (der Fahrer, wir nicht, das Zeug schmeckt ja eklig) und eine Gefahr fuer den eigentlich recht gesitteten Stadtverkehr. Ein Umkehrmanoever auf der vollbelebten 4spurigen Stadtautobahn hat uns knapp vor dem Ziel noch fast einen Unfall und hunderte in die Hoehe gestreckte Mittelfinger eingebracht, dann stiegen wir erleichtert aus. Ueberstanden. Dem Fahrer noch schnell alles gute fuer die Zukunft gewuenscht und dann ins Hotel, duschen, essen, pennen. Beim Einschlafen noch den Schutzengeln gedankt und gelobt, dass man in Zukunft mit den langsamen , grossen Bussen weiterreisen werde. Amen!

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2 Gedanken zu „Lebensgefahr

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