Neujahr in Axum

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Am Silvestertag sind wir von Mekele nach Axum gefahren, wieder mit dem oeffentlichen Bus, wieder um 4 Uhr frueh. Wieder Kleinkinder am Nebensitz, denen die Eltern alles an Essen reinstopfen, was da ist. Natuerlich wieder mit dem ueblichen und von uns erwarteten Ergebnis, wieder unvorbereitete Eltern…wir wissen halt besser als die Einheimischen, wie hier das Reisen ist.

Die Fahrt war sonst ruhig, nur die Ankunft in Axum grausam. Zig Leute sind auf uns zugestuermt und wollten was, wir sind gleich abgedampft und haben uns in ein Hotel zurueckgezogen. Schon wieder kein Wasser…

Von Axum erwartet man schon einiges. Die Stadt war Zentrum eines sehr grossen und den Handel zwischen Afrika und Asien dominierenden Reiches, das ueber 1000 Jahre bestanden und eine grosse Kultur hervorgebracht hat, ausserdem das Christentum im heutigen Aethiopien eingefuehrt hat. Das axumitische Reich ist so um 700 n.Chr. untergegangen und uebermaessig viel ist davon nicht mehr zu sehen.  Dennoch sind die Aethiopier mit Recht sehr stolz auf diesen Teil ihrer Geschichte, und fuer organisierte Aethiopienreisen ist Axum ein Pflichtstopp. Der Ort ist aber sehr abgelegen und die Leute kommen mit dem Flieger angereist.

Unser erster Spaziergang war ziemlich ernuechternd. Man erwartet eine Stadt mit einem Mindestmass an touristischer Infrastruktur, in Wirklichkeit ist das heutige Axum ein Kuhdorf mit Schotterstrassen, wo es auf den ersten Blick ueberhaupt nichts zu geben scheint. Eine Hand voll Touristen spaziert verloren herum, dazwischen das uebliche laendliche Geschehen: Ziegenherden laufen durch die “Strassen”, dazwischen wirbeln noch ein paar Ochsen und jede Menge aufgedrehter Kinder ( mehr als 50% der Aethiopier sind unter 16 Jahre alt) zusaetzlich Staub auf, der einem direkt in alle Koerperoeffnungen dringt. Wie imer die Zurufe: “Where are you go?”, “Hello Mister?”, “Money!”, “Pen”, “Candy”, “Ferenji!”, “Hello” usw.

Bei unserem Versuch im einzigen Internetkaffe Verbindung zur Aussenwelt aufzunehmen, ging auch noch der Strom aus, und das sollte fuer den Rest des Silvesterabends so bleiben. Gluecklicherweise waren wir just in der einzigen Bude des Dorfes abgestiegen, die den Abend mit Strom aus dem Aggregat ueberbrueckte (zumindest fuer das “Restaurant”) und so verbrachten wir den Silvesterabend sehr bescheiden bei einem einfachen aethiopischen Fastenmahl. Das aethiopische Neujahr (Millenium) war ja auch schon im September und so hat dieser Silvester-Abend die Einheimischen wenig gejuckt. Fuer uns war es ein sehr schlichter Abend. Nane hat den eher unfeierlichen Auftakt zu seinem Geburtstag gelassen genommen. Ich hab unter der Bettdecke noch ein paar Gedanken zum Jahreswechsel in den Kosmos gedacht.

Am ersten Morgen unseres neuen Kalender- und Nanes Lebensjahres machten wir uns auf Erkundungstour nach den Sehenswuerdigkeiten, von denen es laut Fuehrer ja doch einige geben sollte. Wir wollten uns auf das Wesentliche beschraenken, damit wir Axum bald wieder verlassen koennten…(die gesamte Atmosphaere taugte uns von Beginn nicht so sehr.)

Also gingen wir zuerst zum grossen und beruehmten Stelenfeld. Die Axumiter haben es geschafft, die weltweit groessten monolithischen Stelen (Steinsaeulen) auf bzw. herzustellen. Die groesste davon ist 35 Meter hoch und 520 Tonnen schwer, liegt aber zerbrochen am Boden, wie sie die ersten Erkunder einst aufgefunden haben. Ob sie jemals stand , ist unbekannt. Ich denke aber schon, da die stolzen und eingebildeten Koenige sicher keine Stelentruemmer als Schandmal rumliegen lassen (das ware zumindest meine Einstellung). Daneben gibt es zwei weitere grosse Stelen, beide ca. 25 Meter hoch. Eine wurde von den Ittakern unter Mussolini gefladert und in Rom aufgestellt, als Symbol fuer den mehr oder weniger gelungenen Einmarsch in Afrika, aehnlich wie es die alten Roemer mit dem aegyptischen Obelisken gemacht haben. Im August 2008 haben die Ittaker die Stele nach jahrzehntelangem Theater wieder rausgerueckt, und diese steht jetzt wieder an ihrem urspruenglichen Ort neben ihrer Zwillingsschwester. Oder eigentlich muesste man sagen “Zwillingsbruder”…die Stelen haben schon was phallisches…beeindruckend sind sie jedenfalls, ziemliche Geraete aus schwarzem Gestein, wunderbar behauen, sehen aehnlich aus wie Hochhaeuser, unten ein Eingangstor und darueber zehn Stockwerke. ganz oben war frueher angeblich eine goldene Scheibe mit Sonne und Mond montiert, aber nichts genaues weiss man nicht. Das ganze Gelaende um die Stelen wird derzeit im Rahmen eines ethio-italienischen Projektes gestaltet und wir haben die Stelen nur durch und ueber die Bauzaeune betrachten und fotografieren koennen. Macht aber auch nichts…

Gleich neben den grossen Stelen ist das Gelaende der Kathedrale, dieses besuchten wir am Nachmittag. Wir wussten aus dem Fuehrer , dass sich seit uralten Zeiten Heiligtuemer auf diesem Ort befanden, irgendqwann wurden Kirchen gebaut und zuletzt hat Haile Selassie in den 60ern eine riesige Kathedrale aufstellen lassen, wo sogar die engische Queen zur Eroeffnung gekommen ist. Ausserdem gibt es noch ein aussergewoehnliches Juwel am Gelaende, wenn`s wahr ist: in einem kleinen Gebaeude soll die Bundeslade untergebracht sein, das sagenumwobene, goldene Kistchen, wo die Steintafeln mit den zehn Geboten Moses drin liegen sollen. Die aethiopische Legende besagt, dass die Koenigen von Saba (die laut aethiopischer Version in Axum daheim war) nach Jerusalem ging und dort Koenig Salomon kennengelernt hat. Deren gemeinsamer Sohn Menelik und spaeterer Kaiser in Aethiopien kam als junger Mann nach Jerusalem und entfuehrte die Bundeslade nach Aethiopien, wo sie bis heute sein soll. Seit Generationen ist es aber so, dass nur ein Priester Zugang zur Lade hat und dieser am Totenbett seinen Nachfolger einweiht. Nicht einmal die aethiopischen Kaiser durften die Bundeslade sehen. Man weiss also wieder mal nichts genaues nicht. Tatsache ist, dass Axum ein Zentrum der orthodoxen Glaubensausuebung in Aethiopien ist und viele Pilger diesen Ort aufsuchen. So auch wir, dachten wir..

So war dann unsere/meine Erfahrung dort:
Am Nachmittag sind wir durch den Hintereingang auf das Gelaende gekommen, wo wir direkt bei der alten Kathedrale aus dem 16. JH. landeten und unsere von der gluehenden Hitze mueden Kadaver auf einer Steintreppe niederliessen um mal die Atosphaere aufzunehmen. Ein kleiner, lieber Junge kam zu mir und wir alberten ein wenig herum. Doch damit war der Frieden auch schon vorbei. Ein aggressiver Aufseher verscheuchte das Kind mit seinem Stock und schnauzte uns auf Amharisch an, bis es uns zuviel wurde und wir weitergingen. Der Typ verfolgte uns grantelnd und jagte uns foermlich zur Ticketbox, wo wir zum Kauf eines suendteuren Tickets genoetigt wurden. Ok, dachten wir, jetzt werden wir wohl unsere christliche Ruhe haben duerfen…Denkste! Erst wollte man uns ins Museum treiben, staendig war der irgendwas auf Amharisch schreiende Typ hinter uns her. Ich bin fast ausgeflippt und wollte schon abdampfen, dann sind wir in die grosse Kathedrale “gefluechtet”, wo uns kurz Ruhe vergoennt war. Der Bau ist modern und relativ unattraktiv, innen ungepflegt und schmutzig. Bald wieder draussen sind wir zur “alten Kathedrale”, die der heiligen Jungfrau Maria geweiht ist. Jetzt waren schon 2 Typen hinter uns her, staendig “Hello Mister!” rufend und mit Handzeichen gestikulierend, um uns zu zeigen, wo wir wie hingehen sollten und duerften. Mir ist das voll am Arsch gegangen. Klare Anweisungen kann ich ja gerade noch akzeptieren. Aber wenn mir bei jedem Schritt einer von hinten in einer fremden Sprache irgendwas aggresiv ins Ohr schreit, das halt ich nicht aus. Dann bin ich stehengeblieben und hab den Typen klargemacht, dass ich keinen Schritt mehr mache und sie sich ihr beschissenes Ticket auf den Arsch picken koennen, weil ich nicht mehr weiss, was ich da ueberhaupt machen soll. Irgendwie haben sie kapiert, dass wir auf diese Art nicht weiterkommen und haben uns den Weg zu Marias Heiligtum gewiesen und geoeffnet. Wahnwitziger- oder sagen wir fuer die Aethiopier bezeichnenderweise ist den Frauen der Zugang zu diesem grundlegend weiblichen Tempel verwehrt. Genauso kuehl und leer fuehlt sich die Energie im Inneren des Gebaeudes an…bald waren wir wieder draussen, wo unser Aufseher inzwischen andere Touristen anmotzte. Wir versuchten in Richtung Bundeslade zu marschieren, wo schon einige Glaeubige am Zaun lehnten, der das Gebaeude umgibt. Soweit wollten wir auch vordringen, doch ploetzlich irgendwo auf der Wiese hiess es wieder “Hello Mister! Stop ! Here Border!” Was “Border”, dachten wir, hier nur “Wiese”, nix sehen “Border” oder Hinweisschild oder dergleichen. Keine Diskussion, es hiess wieder stehenbleiben. Mir wurde es jetzt zu bunt mit diesen Typen und ich setzte mich einfach an der “Border” auf die Wiese hin. Schon seltsam, dass man ein irres Geld fuer den Eintritt zahlt, und dann gibt es nichtmal ein Hinweisschild auf Englisch, das einem sagt, wie die Dinge hier laufen. Stattdessen ein paar voll aggressive Typen, die einen auf Amharisch anschreien…unmoeglich!

Wir sind dann abgehauen von diesem unseligen Ort, der meiner Meinung nach von den aggressiven Typen nur entwuerdigt und entweiht wird.

Umso schoener war es, auf dem Platz zwischen Stelen und Kirchengelaende einer Gruppe junger Burschen zu begegnen, mit denen wir noch einige Stunden zusamensassen und herumalberten. Die waren echt nett, so wie wir es von den Aethiopiern gewohnt sind, und umgekehrt freuten sie sich darueber, dass es ein paar Ferenji gibt, die nicht in den Boden schauend an ihnen vorueber zu den Stelen hinlaufen und dann wieder schnell ins Hotel zurueck, um den bettelden Einheiischen nicht ausgesetzt zu sein. Das war das eigentlich Schoene fuer uns in Axum, dass es doch noch eine schoene, menschliche Begegnung auf Herzensebene gab. Wieder entspannt aber dennoch nachdenklich ueber das seltsame und fuer mich auch bezeichnende Geschehen bei den Kirchen gingen wir zum Hotel zurueck, assen wieder die Fastenspeise und gingen ins Bett. Das Busticket fuer den naechsten Morgen, wieder 4 Uhr hatten wir schon in der Tasche, den Rucksack schon wieder gepackt. Ciao Axum! Ziel: der Nationalpark in den Simien-Mountains!

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