Lalibela, die Floehe und der Fels

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Nach kurzem Aufenthalt in der “Neuen Blume” Aethiopiens, in Addis Ababa, ging es nun endlich in den Norden zu den historischen Plaetzen des Landes, beginnend im sogenannten “zweiten Jerusalem” namens Lalibela.

Voller Vorfreude fuhren wir in die Stadt, die nach dem Heiligen und Koenig Lalibela benannt wurde, da ja auch unser europaeisches Weihnachten anstand. Ein wenig entaeuscht, Warmwasser zum Duschen – war nicht, Strom, um die Nacht zum Tag zu machen – war nicht, feierten wir also bei Lagerfeuer- und Kerzenschein ein zweisames Niederkunftsfest fuer den Heiland. Eh, schoen, wenn man bedenkt, dass die Hinfahrt vom Auswurf des halbverdauten Essens im Bus begleitet war.

Die Kirchen in Lalibela sind die ganzen Strapazen wert. Ins roetliche, weiche Tuffgestein wurden hier die Haeuser fuers Allerheiligste in den Fels getrieben. Monolithische Kirchen also, die vom Dach beginnend und bis zu den Eingangstreppen am unteren Ende von vieler Haende Arbeit aus dem Gestein herausgemeiselt wurden. Es schaut so fantastisch und ja fast irre aus, dass die Legende besagt, dass dies niemals von Menschen alleine bewaeltigt werden konnte. Nein, in der Nacht haben die Engel selbst ihr weisses Gewand abgelegt und so die doppelte Arbeitsleistung im Vergleich mit dem ach so schwachen Menschlein hingelegt. So konnten diese Felskirchen also schlussendlich in all ihrer Groesse dastehen und unserer Bewunderung ausgesetzt werden.

Auch meint man beim Betreten der groesseren freistehenden Kirchen, dass ein Chor von einhundert Millionen Engeln ihr Werk noch immer preist und besingt. Vielleicht ein wenig selbstgfaellig, aber durchaus angebracht.

Verbunden sind die einzelnen Kirchen durch ein System von Tunneln und Schaechten, da sie bis zu 20 m in den Fels eingelassen wurden und man von der Oberkante der Felsmassive nur eben das Dach sehen kann. Mir am besten gefallen, haben die Kirche Bete Maryam der ersten Gruppe, die Kirche Bete Gabriel-Raphael der zweiten Gruppe und die alleinstehende Kirche Bete Gyorgis.

Die Bete Maryam ist durch einen Tunnel erreichbar und es eroeffnet sich beim Heraustreten eine mit drei Eingaengen bestueckte freistehende Felskirche. In den Nischen im umgebenen stehengebliebenen Fels sind winzige Nischen herausgearbeitet worden, in denen Moenche beten, ihre Gedanken zentrieren und ihre Tage verbringen. Frueher blieben die Nischenbewohner bis nach ihrem Tod dort und ihre Gebeine bildeten ein Zeugnis wahren Glaubens fuer die anderen aethiopisch-orthodoxen Christen. Leider haben wir bei unseren Erkundungstouren durch die verwinkelten Gaenge vor einer Nische, die mit einer von Aussen versperrten Holztuer abgeriegelt wurde, ein lautes, fast unanstaendiges Wort fallen lassen. Sogleich hoerten wir aus der finsteren Einsiedelei-Nische ein mahnendes Zischen. Man kann nur hoffen, dass unserswegens nicht das Schweigegeluebte gebrochen wurde. Gott sei gnaedig mit uns armen Suendern.

In der Bete Gabriel-Raphael hatten wir das Glueck, bei einer Messe mitdabeizusein. Die Kirchen sind in Aethipien immer dreigeteilt, wobei der Bereich des Allerheiligsten nur von Priestern betreten werden darf. Die anderen Bereiche sind frei zugaenglich, also auch fuer uns. Zuerst wurden, von in weissen Stoff gehuellten Maennern, alte Kirchenlieder angestimmt, die rythmisch von Trommeln und Sistrum begleitet wurden. Dies ging so eine Stunde oder mehr, bis einer der hohen Geistlichkeit mit dem Weihrauchschwenker die gesamte Kirche duftmaessig reinigte. Dann folgte der Umzug der anderen, in goldbestickten Gewaendern gehuellten, Priestern, wobei diese einen Schirm ueber sich hielten, um den Himmel zu symbolisieren. Die ganze Kirche wurde mehrmals durchschritten, vor dem Eingang zum Allerheiligsten wurde dreimal der Weihrauchbehaelter geschwenkt und alle verbeugten sich erfurchtsvoll zum Klang einer von Engeln gestossenen Posaune.

Bete Gyorgis, nach dem Namensheiligen meines Reisekollegen Joerg benannte Kirche, liegt etwas abseits der anderen Gruppen, ist aber nicht weniger aufregend. Das Dach hat die Form eines gleichseitigen griechischen Kreuzes (Joerg meinte, dies sei ein Maya-Kreuz) und das Gebaeude ist vollstaendig aus dem Fels geloest. Zuerst ist nur dieses Dach erkennbar, steht man aber direkt vor dem ausgeschachteten Felsen, geht es 20 m nach unten bis zum Podest der Kirche. Der, die Kirche bildende, stehengebliebene Felsrest ist mit gelben, im Sonnelicht golden leuchtenden Flechten bewachsen, die mit dem roten Tuffgestein ein herrlich Bild ergeben. Steht man am unteren Ende und blickt gegen Himmel, sieht man nur die Kirche umgeben von einen engen Kranz Himmels, da die Kirche ja vom Fels umgeben ist. Dies wirkt wie ein blauer Heiligenschein fuer ein goldig-rotes Felsenkreuz.

Was von den Endeln aber nicht beachtet wurde, ist die Nachlaessigkeit der Menschen. Die Kirchen sind mit roten Teppichen ausgeleget, die anscheinend nur sehr selten die Kirche zwecks Reinigung verlassen. So war es auch nicht verwunderlich, dass wir noch am Tag des Kirchenbesuches, wie wild zu Kratzen anfingen. Die springlebendigen Floehe, berauscht vom vielen Weihrauch in der Kirche, machten uns auch die Zeit danach noch schwer. Die blutleckenden Biester wurden wir erst in der naechstgroesseren Stadt Mekele los, nachdem unser Gewand einer Generalreinigung unterzogen wurde.

Also Dank den Engeln fuer die Errichtung der Felskirchen und Dank an die Kraft von Seife und warmen Wasser.

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