Jerusalem-“Shabat Shalom”, “Jesus-Maria” und “Allah u Akbar”

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Am Donnerstag hatten wir ja ordentlich gefeiert und einen aufgegossen, der Nanito und ich. Der Donnerstag ist hier auch der Ausgehabend, für die weniger Religiösen auch der Freitag, aber eher doch der Donnerstag. Weil: am Freitag fängt der Shabbat an, der Tag der Ruhe und der inneren Einkehr.

Der moderne Jude verbringt den Shabbat anscheinend gerne mit der Familie beim gemeinsamen Müßiggang und gutem Essen, soweit ich das vor einer Woche noch im Norden miterleben durfte. Ja, und Jerusalem ist halt die Hochburg der Orthodoxen, die hier nahe am ehemaligen Tempel umgeben von den Arabern die Stellung halten (mal ganz neutral formuliert). Für uns ist es natürlich spannend und interessant, die orthodoxen Juden in ihrem doch sehr speziellem Outfit durch die Straßen flitzen zu sehen. Ich weiß ja nicht, wo der Begriff der “jiddischen Hast” herkommt und höchstwahrscheinlich ist es auch besser so, aber: wenn man hier in Jerusalem so unterwegs ist, dann fällt einem schon auf, dass es die Herrschaften oft ganz schön eilig haben im Vergleich zu den modernen Menschen und den Arabern. Letztere sind im Durchschnitt nur halb so schnell, dafür aber 10 mal so laut. So jetzt reichts schon wieder, Klischees beiseite, Erlebnisbericht her!

Ich bin am Freitag Abend nach meinem Nachmittagsschlaferl auf Futtersuche gegangen. Da die jüdischen Geschäfte schon zuhatten, am Shabbat darf ja nicht mit Geld hantiert werden, bin ich beim Damaskustor Richtung Muslimviertel raus und hab mir dort einen ordentlichen Falafelteller einverleibt, während die Sonne unterging. Als ich das Lokal verließ, fiel mir ein nicht enden wollender Strom von orthodoxen Juden auf, die da beim Damaskustor reindüsten. Die haben ja auch ihre eigenen Wohnviertel außerhalb der Stadtmauern. Da kamen ganze Familien daher, vor allem aber Männer und Burschen, Junge und Alte, in allen verschiedenen traditionellen Aufmachungen. Das ist ja für uns an sich schon eine interessante Geschichte, da die Erscheinung der Männer mit ihren Bärten, Zöpfen und Gewändern in dieser Fülle schon sehr exotisch für uns ist. Also hab ich mal in Ruhe den Menschenstrom beobachtet. Sicher mit mehr Interesse als die Soldaten, die ein paar Meter weiterstanden und wohl eher gelangweilt ihrem Job nachgingen.

Soldaten, ein fixer Teil des Straßenbildes

Soldaten, ein fixer Teil des Straßenbildes

das muss einer der Chefs sein

...

Tja, da bin ich aber auch irgendwann neugierig geworden, wo die alle hinwollen, und hab mich in den Strom eingeklinkt. Relativ schnell ist mir klargeworden, wo es hingeht: zur Klagemauer, logo, der größten und wichtigsten Outdoor-Synagoge der Welt. Der Weg dahin führt direkt durchs Muslimenquartier, es standen gestern merklich mehr Soldaten herum als sonst. Die Kluft zwischen den Juden und den Arabern ist schon sehr gross. Und ich habe auch von jungen Juden, die schon mit wenig Angst alle Teile der Welt durchreist haben, gehoert, dass es echt Situationen gibt, wo ihnen der hasserfuellte Blick der Araber das Fuerchten gelehrt hat. Auf jeden Fall schauen die Orthodoxen bei ihrem Gang durch das Muslimviertel wenig links und rechts und werden wohl von der Polizei bewacht.

Als ich bei der Klagemauer ankam, war ich schon sehr beeindruckt, was da abläuft. Der ganze Platz ist gerammelt voll mit Leuten, unzählige Rabbiner bieten ihr Service an und der Gottesdienst läuft sehr unhomogen ab. Viele kleine Grüppchen machen da ihr jeweil eigenes Ding. Kinder spielen und tollen herum, Leute diskutieren, Soldaten schwenken Fahnen. Manche sind alleine und in der Ruhe, vorne an der Mauer wird gebetet, weiter weg von der Mauer wird oft sehr ausgelassen und mit viel Spaß getanzt, gesungen und geklatscht, eine sehr sympatische Ausdrucksform der Verehrung des Göttlichen. So viel Spaß würde man den manchmal auf den ersten Blick etwas steif wirkenden Orthodoxen gar nicht zutrauen…Sympathisch war auch für mich, dass das ganze Treiben nicht dermaßen streng abläuft sondern wirklich ein Ausdruck der Vielfalt der menschlichen Zugaenge zu sein scheint.

Definitiv streng ist aber unter anderem das Fotoverbot am Shabat…obwohl mir gleich ein böses Mandl meine Kamera wegreißen wollte, hab ich die ganze Sache filmisch festgehalten, und Nane hat sie auf seinen Blog gestellt, wo auch andere interessante Filme sind. Hier der link zur Klagemauer:

http://www.reisekreise.net/wp-content/uploads/2009/03/klagemauerfreitagabendblog01.wmv

Ja, so nett das aber vielleicht aussehen mag…ich selber bin echt heilfroh, dass ich bei Religionsausübung im schulmäßigen Sinn nur ein Zaungast bin und bleibe. Jeder soll tun, was er will und braucht…und ich brauche ein sehr hohes Maß an Freiheit, alles andere ist mir ein Greuel. In diesem Sinne bin ich gerne und bald wieder abgezogen…

Und am Samstag hab ich mir die Freiheit genommen, mich noch ein wenig im christlichen Energiefeld Jerusalems zu bewegen, das mir grundsätzlich spirituell und kulturell näherliegt. Da geht mein Zugang aber auch klar in die Richtung, eine schöne spirituelle Essenz zu suchen, erspüren und zu erleben, die fein versteckt hinter all dem Staubschichten der Jahrhunderte und weit abseits der Machtapparate der Kirchen dem Erkanntwerden harrt. Also bin ich, soweit es die Menschenmengen zuließen, auf den Spuren von Meister Jesus und der göttlichen Mutter Maria gewandert. Erst noch einmal zur Grabeskirche, wo ich schöne versteckte Plätze mit wenig Leuten und umso mehr Tiefgang entdeckt habe.

Dannach ist mir der Nane irgendwo in die Arme gelaufen und wir sind gemeinsam zum Garten Getsemane gegangen, wo wir die Grabesstätte von Maria besucht haben. Eine kleine Kapelle mit einer sehr tief liegenden Krypta, die das Grab Mariä beherbergt. So wie schon am Grab Christi war hier ein irres Gedränge. Dennoch waren es für mich sehr schöne Minuten da unten.

Grab Mariae

Grab Mariae

in der Krypta

in der Krypta

Von Marias Grab aus gingen wir Richtung Ölberg rauf, vorbei am jüdischen Friedhof. Oben hat man einen genialen Blick auf die ALtstadt, den wir in einem kleinen Park ausgiebig und in Ruhe genossen haben. Die russisch-orthodoxe Kirche, die wie ein Märchenschlössl im Wald steht und der Maria Magdalena geweiht ist, blieb heute wie an den meisten Tagen der Woche verschlossen. Aber wir sind auch so zufrieden heimgegangen.

juedischer Friedhof

juedischer Friedhof

Blick vom Oelberg auf den Tempelberg

Blick vom Oelberg auf den Tempelberg

Maria Magdakas Kirche

Maria Magdalenas Kirche

Der Sonntag war unser letzter Tag in Jerusalem, der heiligen Stadt. Jerusalem ist ja auch fuer die Muslime heilig, da Mohammed in seiner Vision vom Tempelberg aus in den Himmel aufgestiegen ist, wo er seine Weisheiten erhalten hat. Am Sonntag frueh wollte ich einen letzten Versuch starten, doch noch auf den Tempelberg zu kommen, wo der beruehmte Felsendom steht, die Moschee, die dem Panorama der Altstadt von Jerusalem den Stempel aufdrueckt. Diesmal ist es gelungen. Der Felsendom ist ein praechtiges Bauwerk, oben ist ein weiter freier Platz, auf dem eine ruhige und friedliche Atmosphaere herrscht, wie man sie in Jerusalem so schnell nicht findet.

der Felsendom und ich

der Felsendom und ich

praechtig

praechtig

das alte Jerusalem vom Dach des Oesterreich-Hospizes aus

das alte Jerusalem vom Dach des Oesterreich-Hospizes aus

Ja, das waren noch einmal interessante Tage in Jerusalem, der Stadt, die wohl von allen Staedten dieser Welt am meisten fuer die Freunde der Eingottreligionen zu bieten hat…mitsamt dem ganzen Spannungsfeld, das sich darumherum im Laufe vieler Jahrhunderte aufgebaut hat. Wir sind am Montag Frueh zufrieden und gesättigt weggefahren, auf zu neuen Abenteuern.

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