Whakatane war der perfekte Einstieg in Neuseeland für mich, doch alles hat einmal ein Ende. Und da auch mein Aufenthalt in Neuseeland ein vorgegebenes Ablaufdatum hat, hab ich mich auf den Weg nach Gisborne gemacht, um die dort ansässigen Freunde meiner Familie zu treffen und ein paar gemeinsame Tage zu verbringen. Laut meines ursprünglichen Planes wäre das ja meine erste Station hier gewesen – da habe ich aber noch nicht gewusst, dass ich auf Grund der gesperrten Landstraße zuerst in Whakatane Halt machen und auch nicht, dass ich ebendort so reich beschenkt werden würde.
Die Öffnung der Straße sollte noch lange auf sich warten lassen, also musste ich einen langen Umweg über die wenig befahrene Küstenstraße nehmen – und das ganze ohne öffentliche Busverbindung, also via Autostopp. Hitchhiking ist in Neuseeland noch üblicher als bei uns daheim und die Kiwis sind ja freundliche und hilfsbereite Menschen, also warum nicht…für den Fall, dass ich auf der Strecke von ca. sechs Fahrstunden nicht mehr weiterkommen sollte, haben mir meine Freunde in Whakatane auf meine Landkarte für jedes Kaff Namen und Telefonnummern von Freunden aufgeschrieben, bei denen ich Quartier etc. bekommen könnte – voll nett. Darauf sollte ich jedoch nicht zurückkommen müssen. Ich wurde gleich mitgenommen, zuerst zwei kurze Etappen mit jeweils anschließendem Kaffee in irgendwelchen Wohnzimmern. Dann hat mich ein 75-jähriger Bauer namens Trevor auf eine zweistündige Fahrt mitgenommen, der die wunderschöne Strecke entlang der Küste schon blind fahren konnte, weil er mehrmals wöchentlich zwischen seinen jeweils ca. 1000 Stück zählenden Milchkuhherden hin und herpendelt. Ein Gratisvortrag über die neuseeländische Land- und Fischwirtschaft im Wandel der Jahreszeiten und Jahrzehnte war inkludiert und auch höchst interessant. So wurde ich über den Teebaum und die gemeine Milchkuh unterrichtet und habe mir von meinem Fahrer erzählen lassen, wie er als junger Bursche tagelang am Hügel sitzend die kolonnenweise Richtung Süden vorbeiziehenden und hunderte Tiere zählenden Walherden beobachtet – „…those days are gone…“. Dazu noch ein paar Maorigeschichten von der „anderen Seite“ gesehen, auch interessant. Die „Ortschaften“, in denen meine potentiellen Kontakte zu finden gewesen wären, haben sich als einzelne Häuser im Nichts herausgestellt und sind wie im Flug vorbeigezogen. Der überaus rüstige Trevor war sehr darauf aus, mich auf halber Strecke einem Postauto zu „übergeben“ und hat entsprechend auf die Tube gedrückt. Wir haben auf der ganzen Fahrt kein anderes Fahrzeug gesehen, doch an seinem Zielort ist eines herausgebogen, er hat es hergewunken und die Fahrerin gefragt, ob sie nach Gisborne fährt und mich mitnehmen würde. „Kein Problem“, hieß es und der Trevor war nicht wenig stolz auf die gelungene Aktion…“Seen, that´s how we do it out here…!“.
Ca. sechs Stunden nach meiner Abfahrt in Whakatane bin ich planmäßig in Gisborne angekommen, die Reise war kurzweilig und ausgesprochen nett. Und noch bevor ich meine Whakatane-Family erst vermissen konnte, hatte ich schon wieder super Familienanschluss.
Hubert stammt aus Kärnten und ist ein ehemaliger Arbeitskollege und immer noch guter Freund meines Vaters und unserer Familie. Er und seine neuseeländische Frau Sue sind mit ihren drei Töchtern vor zehn Jahren in Sues Heimat Gisborne zurückgezogen. Hubert genießt in der ruhigen Kleinstaft den angenehmen hiesigen Lebensstil und seine Pension in vollen Zügen. Der Rest der Familie ist mit Arbeit bzw. Studium, also dem so genannten „Ernst des Lebens“, beschäftigt. Letzterer ist ja bei den Maoris, die ich kennen gelernt hatte, tendenziell weniger populär (eine blöde Formulierung, aber ich erspare mir jetzt jegliche Erörterung über die komplexen, sozialen, geschichtlichen und politischen Zusammenhänge und Hintergründe) und nicht nur in diesem Sinne war in Gisborne einiges ein bisschen anders als in Whakatane. Mein Lebensstandard hat schlagartig zugenommen und für meine Reiseverhältnisse rekordmäßiges Niveau erreicht. Ich hatte viel Platz in einem gemütlichen Haus, konnte mit Hubert den vertrauten Kärntner Schmäh führen und vor allem bei den köstlichen gemeinsamen Abendessen neben ein paar kulinarischen Lernstunden in Sachen Seafood den Rest der Familie kennen lernen. Ich hatte eine ruhige Umgebung und Zeit um die vergangenen Erfahrungen etwas nachwirken zu lassen und durfte auch einfach ein bisschen faul sein. Den Rest der Zeit hat mir Hubert mit ein paar gemeinsamen gemütlichen Ausflügen in die schöne Umgebung angenehm aufgelockert. Ich habe jede Menge gute Tipps und Insiderinfos für Neuseeland bekommen und wir haben gemeinsam eine Strategie für den weiteren Verlauf meiner Reise entwickelt. So haben sich meine nächsten Schritte klar ergeben und die Zeit in Gisborne war – fast schon zu schnell – bald wieder vorüber. Leider war ich fotomäßig wieder einmal etwas nachlässig und es ist alles ein wenig schlecht dokumentiert. Ich habe in den entscheidenden Momenten, wo die ganze Familie versammelt war, diesbezüglich kläglich versagt. (Das Gruppenfoto holen wir aber beim nächsten Mal nach, denn es ist jetzt schon klar, dass ich wieder einmal nach Neuseeland kommen muss.)
Ich möchte mich auch auf diesem Weg noch einmal bei meinen lieben Gastgebern herzlich für die ebensolche Aufnahme in deren Familie, die große Gastfreundschaft und die angenehmen gemeinsamen Tage bedanken. Danke Sue und Hubert und dem Rest der Familie, dass ich mich bei Euch so dermaßen zuhause fühlen durfte!!
Sehr sehr interessante Berichte! Man fühlt sich, wie immer,direkt dort…Weiterhin alles Gute, Jörgl! Danke!
Damit der Brauch nicht abkommt – herzliche Grüße aus dem Gailtal und noch viele schöne Begegnungen und Erlebnisse.