Nach drei Tagen in Jerusalem war ich doch recht geschlaucht von dem Herumhumpeln und der Verkühlung. Richtig wohlgefühlt hab ich mich dort nicht, irgendwie hat alles nicht so rund zusammengespielt. Also war ich trotz meiner gesundheitlichen Bremsklötze froh, als unser Wanderzirkus wieder weiterziehen sollte. Ich hab mich ja bei den Recherchen und Entscheidungen sehr zurückgenommen und die anderen beiden machen lassen. Also auf zum Busbahnhof, durch die Sicherheitsschleuse und rein in den Bus. Ziel: Tiberias am See Genezareth, 4 Stunden Fahrt zuerst nach Tel-Aviv und von dort weiter nach Norden.
Der See Genezareth liegt ganz im Norden des Landes, knapp an der syrischen Grenze. Direkt hinter dem See erhebt sich der Golan, das Gebirge, welches ja weniger zu Syrien oder Israel als vielmehr zu Österreich gehört, soweit ich das mitbekommen habe. Der See ist jedenfalls nach dem Toten Meer der zweit tiefliegendste der Welt, ca. 210 Meter unter dem Meeresspiegel. Gespeist wird das größte Süßwasserreservoir vom Jordan. Und der See ist Wasserquelle für ganz Israel. Eines der größten Wasserverteilungswerke der Welt saugt pro Sekunde 30 m³ Wasser aus dem See und pumpt es in das ganze Land, die Millionenstadt Tel Aviv, bis runter in den Süden, wo die Negev Wüste bewässert wird.
Wir sind irgendwann am See gelandet und hatten schon am Weg dorthin gestaunt, was für ein anderes Gesicht das Land zeigt, je weiter man in den Norden kommt. Es wird immer grüner und lieblicher. Bäume, Sträucher, Wiesen, alles blüht. Wir haben erfahren, dass jetzt die schönste Zeit des Jahres in dieser Gegend ist. Es sieht so aus wie bei uns im Frühsommer, im Sommer ist es hier aber trocken und braun. Nach den Monaten unserer Reise durch trockene Gebiete haben wir uns über diesen Anblick und die Gerüche schon sehr gefreut. Das Busfahren rennt in Israel auch sehr gut organisiert und gesittet ab. Die Leute benehmen sich gut, sind hilfsbereit und nett. Der Bus war auch halbvoll mit Soldaten, die Knarren werden einfach auf den Mittelgang gelegt, während der Soldat ein feines Schläfchen abhält.
Wir sind in Tiberias angekommen, der größten Stadt am See Genezareth. Dort haben wir einen Freund von uns angerufen, der in der Nähe vom See ein Haus hat und schon ein paar Tage vorher von uns vorgewarnt wurde. Dabei handelt es sich um den Rabbi Ohad, den Guntram und ich im Herbst in Guatemala kennengelernt haben. Ohad ist ein echt lässiger Typ. Er wurde als orthodoxer Rabbi erzogen und ist aber als erwachsener Mensch aus der Enge der Orthodoxie ausgestiegen und sucht mit viel Offenheit und Gespür nach neuen Wegen für sich und andere, lebt als Künstler und Kabbala-Lehrer und ist im ganzen Land als Vordenker und Erneuerer bekannt. Als unser Anruf kam, ist der Ohad gleich mit dem Auto nach Tiberias gekommen und hat uns mit in sein feines Häuschen oberhalb des Sees im Städtchen Rosh Pina genommen. Ganz so einfach war die Fahrt an diesen schönen Ort aber nicht: Ohads bezaubernde Frau Dawn war auch noch mit und der Kofferraum schon voll. So mussten der Nane, der Gunti und ich uns mitsamt unserem Gepäck auf die Rückbank des kleinen Suzukis zwängen. Der Gunti wäre fast erstickt und ausgezuckt in der Enge.
Naja, jedenfalls waren wir jetzt bei netten Leuten an einem netten Ort gelandet, in familiärer Atmosphäre, wo man sich wirklich zuhause fühlen durfte und konnte. Für den Nane und mich überhaupt eine super Abwechslung nach all den windigen Buden, wo wir schon genächtigt haben. Der Ohad hat uns natürlich viel über die Gegend erzählt, die Wirkungsorte Jesu und noch vieles mehr. Auch haben wir viele Fragen über das Judentum und das Leben in diesem Land beantwortet bekommen. Interessant und nett zugleich.
Nach einer gut durchgepennten Nacht in feinen Gästebettchen haben wir am nächsten Tag gut gefrühstückt und gleich mal einen Bus zum See runter genommen. Gleich in der Nähe ist der Ort Capernaum (hebr. Kefar Nahum), von dem wohl auch Nicht-Bibelforscher schon gehört haben könnten. Ich hab mein Religionswissen aus der Volksschule schnell aufgefrischt und folgendes gelernt: Jesus hat hier viele jahre verbracht und hier seine Jünger gefunden, die Fischer am See waren. Allen voran Petrus, bei dem er auch gewohnt hat. Hier hat Jesus auch seine Maria Magdalena kennengelernt, die aus dem nahe gelegenen Ort Migdal stammte. Außerdem fanden hier diverse Wundertätigkeiten Jesu statt, wie zum Beispiel die Brotvermehrung oder das über das Wasser gehen. Soweit die Kurzfassung.
Gunti und ich
Für echte Christen aus aller Welt ist der See ein wahrer Magnet. Diese fahren busweise von einem Ort zum nächsten und schauen sich an, wo Jesus gelebt und gewirkt hat. Dazu wird gesungen, Messen abgehalten, gebetet und geweint. Wir waren zu Fuß unterwegs und waren noch recht planlos , als wir uns schon unversehens in der Brotvermehrungskirche wiedergefunden haben.
Brotvermehrungskirche
Raufwandern - ich schon ohne Krücken, holodaro!
Von dort gingen wir den Hügel rauf, der der Ort der Bergpredigt gewesen sein soll. Vom Hügel aus hat man so einen wunderbaren Blick über den See, alles ist grün und blüht. So sind wir gar nicht erst zur Kirche ganz rauf gegangen, sondern haben uns auf ein paar Felsen verteilt und einmal den Blick und die Gedanken ordentlich schweifen lassen, ein Schläfchen abgehalten und die Ruhe genossen. Schon eine sehr schöne Gegend, die sich Jesus ausgesucht hat. Und für uns war es wunderbar, an diesem Ort zu sein.
Blick zur Kirche rauf
Saftiges Grün
Jessas!...Nein, nur der Gunti...
Danach sind wir zum See runter, der Gunti ist vorausgehetzt, der Nane und ich haben uns ein wenig verzettelt, als wir den gemeinen Klippschliefer auf einem Felsen sitzend beobachtet haben. Das possierliche und laut Hinweisschild auch in der Bibel dreimal genannte Tierchen ist uns dabei recht sonderbar eingefahren. Dass das Viech laut Nanes Recherche ein naher Verwandter des Elefanten sein soll, ist ja noch viel schräger. Wie dem auch sei…
Klippschliefer
Bis zum Wasser haben wir es an diesem Tag nicht geschafft, da es uns auch noch in eine Höhle hinein geapert hat, wo Jesus nach der anstrengenden Brotvermehrung ein wenig gerastet hat, bevor er dann die Jünger in Seenot erwischt hat und ihnen über das wasser zu Hilfe kommen mußte. Das ist die Geschichte, hier unser Eindruck.
allemal ein feines Platzl
mit super Ausblick
Am nächsten Tag sind wir dann direkt in den Ort Capernaum gefahren, wo das Haus des Petrus noch in den Grundmauern steht, daneben die Reste der damaligen Synagoge. Im Hause des Petruses hat ja auch Jesus gewohnt, weil er kein eigenes Haus hatte.
San Pedro und ich
nur ich
Ja, so hatten wir noch einen schönen zweiten Tag. Für mich dauerte er länger als für die beiden anderen. Gunti mußte schon nach Tel Aviv, weil sein Flug am nächsten Tag heimging und am Samstag (=Shabbat) keine Busse fahren. Der Nane war schon ganz geil auf die Stadt und ist mit ihm mitgekommen. Mir ging das zu schnell, immerhin war ich immer noch mit Fuß und Verkühlung bedient. So habe ich gerne die Gastfreundschaft von Ohad und Dawn angenommen und bin noch 2 Nächte bei ihnen im trauten Heim geblieben, wo ich mich gut erholt habe. Schön und interessant war es auch, an den Feierlichkeiten am Freitag Abend, wo der Shabbat willkommen geheissen wird, teilzunehmen. Wie es der Brauch so ist, sind bei Ohad daheim so 20 Leute zusammengekommen, jeder hat viel Köstlichkeiten mitgebracht und so wurde es ein super netter Abend mit Speis und Trank und viel Spaß. Den nächsten Tag verbrachte man gemeinsam. So hab ich viele Leute kennengelernt und einiges an Einblick in deren Gebräuche und Lebenssituationen bekommen.
Ich kann nur nochmal sagen, die Israelis sind ganz super feine Leute. Offen, gebildet, sehr kultiviert, gepflegt und freundlich. Ohad und Dawn sind dabei besondere Exemplare und es ist super , auf der Reise Zeit mit solchen Menschen zu verbringen. Am Sonntag früh bin ich dann mit den beiden im Auto nach Tel Aviv gefahren. Dabei hab ich fahren dürfen, was mir als alten Benzinbruder auch mal wieder getaugt hat.
ein letzter Blick zum See
Nach der Mühsal von Jerusalem haben die Tage im Norden echt gut getan. Mein Fuß hat sich gut erholt und ich brauche die Krücken nicht mehr. Es war schön mal wieder wo daheim sein zu können. Und es war was ganz Besonderes, an den Orten des Wirkens Jesu zu wandern und im Gedanken so viel mit ihm verbunden zu sein, dem großen Meister des Herzens.
Erbärmlicherweise hab ich es nicht geschafft, Fotos von unserer Runde und den Gastgebern zu machen. Von Ohad und Dawn hab ich nur 2 Fotos aus dem Internet. Danke den beiden und bis zum nächsten Mal.
Rabbi Ohad
Dawn
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